Im Finanzgebäude kracht's

■ Im Ostberliner Etat fehlen 1,7 Milliarden / Baustopp für 11.000 Wohnungen droht / 24.000 Bauarbeiter bald ohne Lohn? / Die Bürgermeister der Stadthälften fordern von den beiden deutschen Regierungen finanzielle Unterstützung

Ost-Berlin. Wenn die Deckungslücke von 1,7 Milliarden Mark im Ostberliner Haushalt nicht geschlossen wird, droht in der Ostberliner Bauwirtschaft der Kollaps. Mit dieser alarmierenden Botschaft traten nach der gestrigen gemeinsamen Sitzung von Senat und Magistrat der Oberbürgermeister von Ost-Berlin, Schwierzina, der Regierende Bürgermeister, Momper, sowie ihre für Wohnungsbau zuständigen Kabinettsmitglieder vor die Presse. Der Haushalt von Ost-Berlin für die zweite Jahreshälfte beläuft sich insgesamt auf 4,2 Milliarden Mark, fast die Hälfte davon ist immer noch ungedeckt. Nach Schwierzina sei es schlicht vergessen worden, die Finanzierung von bereits begonnenen Bauvorhaben zu sichern. Betroffen sind nach seinen Angaben 11.000 Wohnungen und insgesamt 24.000 Beschäftigte in der Bauindustrie, denen nach Ablauf von 14 Tagen keine Löhne mehr gezahlt werden könnten, wenn es zum Kollaps in der Bauindustrie kommt.

Wie der Ostberliner Baustadtrat Ekkehard Kraft ausführte, fehlen allein im Baubereich 700 bis 800 Millionen Mark, die bisher über Kredite finanziert wurden, und noch einmal soviel von seiten des Magistrats. Der Hauptgrund für dieses Defizit, so sein Westkollege Nagel, liege im Staatsvertrag, in dem festgeschrieben ist, daß die zur Verfügung stehenden Investitionsmittel in einem irrealen Verhältnis umgerechnet würden und die Kommunen nicht kreditwürdig seien. Am Rande der Pressekonferenz plauderte der Bausenator noch ein wenig aus der Schule: Täglich werden nach seinen Angaben in Ost -Berlin bis zu drei Häuser der KWVs besetzt, deren Defizit sich auch auf stattliche 1,5 Milliarden Mark belaufe. Die alte (West-)Berliner Linie, also zu räumen und dann zu verhandeln, könne dort nicht angewendet werden, denn die KWVs hätten keinerlei Mittel, um die Häuser dann zu sanieren.

Momper und Schwierzina forderten die Regierungen in Bonn und Ost-Berlin auf, diesen „unmöglichen Zustand“ im Ostberliner Haushalt zu beenden. Es gehe nicht, daß sich die Zentralregierung der DDR, so Momper, auf Kosten der Städte und Kommunen am Staatshaushalt saniere. Der Ostberliner Haushalt wurde bisher zu 70 Prozent aus dem Staatshaushalt finanziert. Schwierzina forderte als „einfachste Lösung“, daß die im Staatsvertrag festgelegte Sperrklausel bei der Kreditierung der Kommunen aufgehoben werden müsse. Seit über vier Wochen gebe es Verhandlungen mit der DDR-Regierung, so Momper, aber keinerlei Ergebnis. Schwierzina wollte sich gestern abend erneut mit dem DDR-Finanzminister Romberg treffen, um über die Lage noch einmal zu sprechen. Ein ähnliches Tref fen mit Momper und Romberg am Montag abend ist offensicht lich ohne jedes Ergebnis zu Ende gegangen.

kd