: Die EG ist in Bedrängnis gekommen
■ Im Streit um die Agrarsubventionen hat die USA Punkte gemacht
Es war ein konzertierter Generalangriff der amerikanischen Seite auf die EG-Agrarpolitik. Alle diplomatischen Anstandsformen vergessend, droschen der US -Landwirtschaftsminister ClaytonK. Yeutter und die amerikanische Handelsbeauftragte Carla Hills am Eröffnungstag des Wirtschaftsgipfels eine Stunde lang auf die EG-Länder ein.
Sie sollten sich endlich an den Verhandlungstisch setzen, um die festgefahrene „Uruguay-Runde“ bei den Verhandlungen des Internationalen Zoll- und Handelsabkommens (Gatt) noch zu retten. Es gebe keinerlei Berechtigung für die „stratosphärischen Agrarsubventionen“. Und ein Erfolg bei der bis zum Dezember abzuschließenden Verhandlungsrunde über das neue Gatt-Abkommen sei „zehnmal so wichtig“ wie der Streit über die Sowjethilfe. „Besser kein Gatt-Abkommen als ein schlechtes“, so hatte George Bush schon vor dem Beginn des Wirtschaftsgipfels gedroht.
Die veröffentlichte Meinung in den USA hat die Bush -Administration nun endlich zum Großangriff auf die für viele Amerikaner völlig indiskutablen Agrarsubventionen gezwungen. Die USA sind vor allem deswegen so ungehalten, weil für sie bei den Genfer Gatt-Verhandlungen viel auf dem Spiel steht. „Es geht hier um die wirtschaftliche Renaissance des 21. Jahrhunderts“, posaunte Carla Hills im Rausch des totalen Freihandels. Wenn die Uruguay-Runde, die bis Ende Dezember die für alle 97 Mitgliedsländer geltenden neuen Gatt-Regeln festlegen muß, scheitern sollte, dann werde dies zu „gefährlichen Einbußen in den globalen Wirtschaftsaktivitäten führen“.
Da hier in Houston nicht direkt über Gatt verhandelt wird, kann die US-Delegation allerdings von diesem Wirtschaftsgipfel nur einen „politischen Anstoß“ erwarten, eine ernste Ermahnung von höchster politischer Stelle an die Unterhändler in Genf, sich in den Agrarfragen zu einigen. Dabei wollen die USA den sogenannten „De-Zeeuw-Report“ zur Basis der Konfliktlösung machen, ein Versuch, der bei Kanzler Kohl in seinem einstündigen Auftaktgespräch mit George Bush am Montag zumindest nicht auf Widerstand stieß. Regierungssprecher Vogel bezeichnete das De-Zeeuw-Papier als durchaus diskutierenswerten „Verfahrensvorschlag“
Von seiten der EG sind die Reaktionen auf diesen Kompromißvorschlag dagegen weitaus weniger enthusiastisch. Der Generaldirektor für Agrarwirtschaft der EG, Guy Legras, ließ bei einem Gespräch am Montag keinen Zweifel daran, daß er auch weiterhin auf Bedingungen für einen langsamen Abbau der Agrarsubventionen besteht, die in dem Vorschlag de Zeeuws längst weggefallen sind. Während sich die verschiedenen EG-Länder bis Ende Juli auf eine grundsätzliche Haltung zu dem De-Zeeuw-Vorschlag äußern müssen, sind die Positionen der USA klar: Die nichttarifären Handelshemmnisse sollen zunächst in quantitative Zölle verwandelt und dann über einen Zeitraum von zehn Jahren abgebaut werden, und die für die USA besonders skandalösen Exportsubventionen sollen binnen fünf Jahren beseitigt werden.
Über Zeiträume
wird noch geredet
„Über diesen Zeitraum lassen wir noch mit uns reden“, so Yeutter, „wenn die EG erst mal von ihrer Position 'nicht vor tausend Jahren‘ runterkommt.“ Das Verlangen der USA, bei allen drei Formen des EG-Protektionismus in den Gatt -Verhandlungen fundamentale Veränderungen zu beschließen und den Abbau der Exportsubventionen besonders zu beschleunigen, wird in dem De-Zeeuw-Vorschlag, sehr zum Leidwesen Brüssels, übernommen.
„Wenn die Europäer dieses Papier akzeptieren“, so erklärte Mark Ritchie vom Institut für Landwirtschaft und Handelspolitik in Minneapolis der taz gegenüber, „werden sie sich noch wundern.“ Schätzungen über die Auswirkungen der ursprünglichen US-Vorschläge für den raschen Abbau der EG -Agrarsubventionen hatten den Verlust von zwei bis drei Millionen Arbeitsplätzen ergeben.
Die USA betonten auch in Houston immer wieder, daß es sich hier nicht nur um einen europäisch-amerikanischen Konflikt handle. Vor allem die Landwirtschaft in der Dritten Welt, so Carla Hills, leide unter den wettbewerbsverzerrenden Exportsubventionen der EG. Die Kosten der protektionistischen Maßnahmen in der westlichen Welt ist nach Weltbank-Angaben doppelt so hoch wie die Summe aller Entwicklungshilfegelder zusammengenommen. Nach US-Angaben gibt die EG jährlich allein zehn Milliarden Dollar für Exportsubventionen aus.
Die EG wird sich jedenfalls nach dieser geschickten Großoffensive der Amerikaner bei den verbleibenden Gatt -Verhandlungen in der Defensive befinden. Sie wird bis Anfang Dezember bei der Reform ihres Agrarmarktes vermutlich größere Zugeständnisse machen müssen, als dies noch vor wenigen Monaten den Anschein hatte. Am Ende der Auseinandersetzungen wird für beide Seiten die Frage stehen, wieviel sie auf dem Agrarsektor zu opfern bereit sind, um das Gatt-Abkommen mit seinem insgesamt 15 Sektoren umfassenden Regelwerk zu retten.
Rolf Paasch, Houston
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