Kein Zweifel an Gorbatschows Wahl

■ Nach dem Rückzug der prominenten Gegenkandidaten tritt nur noch ein Unbekannter gegen ihn an

Aus Moskau K.-H. Donath

Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weiter Michail Gorbatschow heißen. An einer Wiederwahl des Kremlchefs durch den 28. KDdSU -Parteitag bestand am Dienstag praktisch kein Zweifel, nachdem alle nominierten Kandidaten bis auf einen relativ unbekannten Stadtparteichef aus Sibirien, Teimuras Awaliani, auf eine Bewerbung verzichtet hatten. Awaliani ist auch Leiter der Vereinigten Streikkomites im Kuszetzer Kohlebecken. Außenminister Schewardnadse, Innenminister Bakatin und Politbüromitglied Jakowlew stellten sich nicht zur Wahl.

Noch bis zur letzten Minute verstummte die Kritik an seiner Doppelfunktion als Präsident und Chef der Partei nicht. Es waren aber nur noch wenige Delegierte, die ihrem Unmut bis zuletzt offen Luft machten. Die konservativen Funktionäre aus den Provinzniederungen mußten nun doch eine Kröte schlucken. Denn die meisten, das hatte die aggressive Stimmung dieses Konvents gezeigt, waren mit der sicheren Überzeugung nach Moskau gereist, der Führung unter dem ungeliebten Generalsekretär ein Ende zu bereiten.

Allerdings haben die führenden Kräfte des konservativen Flügels - nicht nur aus Ermangelung eines kompromißfähigen Alternativkandidaten - eingesehen, daß die Partei ohne Gorbatschow ihre Talfahrt nur beschleunigen würde.

Vor seiner Wahl hatte Gorbatschow gestern morgen noch in scharfer Tonlage die Diskussionsergebnisse seines ZK -Berichtes zum Auftakt des Parteitages resümiert: „Millionen von Kommunisten und eine überwältigende Mehrheit der Menschen im Lande erwarten eine Konsolidierung der Partei“, meinte der Generalsekretär. Die Umstrukturierung des Politbüros, die Gorbatschow durchsetzen konnte, ist auch ein Schlag gegen das ZK. Der Kaderpolitiker Gorbatschow kann zufrieden sein. Er hat dem Apparat eine weitere Niederlage beigebracht. Ob es der Partei noch hilft, ist allerdings mehr als fraglich.