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Recherchen im Abfall

■ „Der Griff in die Mülltonne“, Di., ZDF, 19.25 Uhr

Der Griff in die Mülltonne erspart Privatschnüfflern auch im Computerzeitalter tagelange Recherchen: Ob Bankauszüge oder Gesundheitsatteste, ob Steuererklärungen oder Totenscheine in den Müllcontainern von Behörden, von Banken, von Arztpraxen und Steuerbüros tauchen all die Dokumente wieder auf, die eigentlich aus datenschutzrechtlichen Gründen längst dem Reißwolf zum Fraß hätten vorgeworfen werden müssen.

Mit seinem Griff in die Mülltonnen des Systems hat Christoph Maria Fröhder, Autor der ZDF-Reportage „Fundort Mülltonne“, nicht nur offengelegt, daß die Datenschutzbestimmungen in der Bundesrepublik oft das Papier nicht wert sind, auf das sie gedruckt wurden. Datenschutz ist nämlich eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren einer demokratisch verfaßten Gesellschaft, wie der hessische Datenschutzbeauftragte Spiros Simitis im Film erklärte. Bank - und Postgeheimnis sowie das Dogma der ärztlichen Schweigepflicht sind Eckpfeiler des Urvertrauens des Einzelnen in diesen Staat und seine Gesellschaft. Wer Fröhders Reportage gesehen hat, der weiß jetzt, daß als letzte Bastion dieses Urvertrauens maximal das Vertrauen auf die Wahrung des Beichtgeheimnisses bleibt, denn noch werden die eigenen Sünden mündlich bereut.

Und Fröhder räumte - sicher unbeabsichtigt - noch mit einem anderen (Vor-) Urteil auf: dem vom korrekten deutschen Beamten und Angestellten. Schlampereien und Nachlässigkeiten in diversen Frankfurter Behörden haben dafür gesorgt, daß Fröhder Akten mit geschützen Daten gleich zentnerweise aus den unverschlossenen Müllkübeln der Kommunalverwaltung klauben und mit dem städtischen Bus abtransportieren konnte. Und wer da glaubt, das gäb's nur im rot-grünen Frankfurt, der sollte einmal in den Müllcontainer hinter dem Rathaus seiner Gemeinde sehen. Vielleicht findert er dann dort auch seinen Reisepaß, auf den er seit Monaten wartet. Fröhder fischte nämlich auch einen astreinen fälschungssichern Ausweis aus dem Altpapier.

Auf die Datenschützer in der Bundesrepublik wartet also jede Menge Arbeit. Der hessische Datenschützer Simitis ist schon dabei, den ZDF-Film auszuwerten. Schwachstellen bei bestimmten Behörden wollen ausgelotet und beseitigt und Bußgeldbescheide wegen der zahlreichen Verstöße gegen die Datenschutzbestimmungen verschickt werden. Der Unsicherheitsfaktor sei halt der Mensch in den Ämtern - und deshalb ist der Reißwolf wohl sein natürlicher Partner. Doch auch dessen Zähne sind stumpf geworden, weil findige Menschen auch diese schmalen Papierstreifen wieder zusammensetzen können, die dem „Wolf“ aus dem Maul kommen. Da hilft nur noch der „cross-cutter“, der alle Akten und Dokumente zu winzigen Papierfetzelchen verarbeitet, die bedenkenlos als Konfetti verwendet werden können, etwa bei zukünftigen Weltmeisterschaftsfeiern. Und ein letzter Tip: Fragen Sie ihren Doktor, wie er seinen Papiermüll beseitigt. Sonst weiß ihr Müllmann vielleicht bald, daß sie an temporärer Impotenz oder an Ohrensausen leiden - und das wäre doch peinlich. Übrigens: Peinlich war Fröhders Reportage auch für bundesdeutsche Waffen- und Urandealer. Denn deren Exportgenehmigungen zog der Reporter aus der Mülltonne des Bundesamtes für Wirtschaft in Eschborn. Merke: Behördenschlampereien müssen nicht immer schlimme Folgen haben.

Klaus-Peter Klingelschmitt

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