: Landtagsbesucher - eine gefährliche Spezies
München (taz) - Die Besucherinnen und Besucher von öffentlichen Sitzungen des Bayerischen Landtages müssen damit rechnen, daß ihre Daten an Polizei und Verfassungsschutz weitergeleitet werden - zumindest, wenn ihr Besuch den Grünen gilt.
Wie mittlerweile auch vom Landtagsamt bestätigt wurde, haben am 23. Januar dieses Jahres zwei Pförtner die Personalausweise von zwölf Besucherinnen und Besuchern aus der Oberpfalz fotokopiert und die Kopien an die Polizei weitergeleitet. Die grüne Fraktionssprecherin Bause und ihr Kollege Bäumer brachten die Sache ans Licht. Ein Amtsinspektor der Landtagsverwaltung bestätigte ihnen, daß er zwei Pförtner mit dem Kopieren der Ausweise beauftragt hatte, nachdem ihn die Polizei darum gebeten habe. Die Kopien wurden dem Leiter der Landtagswache, Klaus Hohendorf, und dem Leiter der Münchner Polizeiinspektion 22, Jochen Flechtner, ausgehändigt. Der Grund der konspirativen Aktion läßt sich nur vermuten. Offensichtlich hängt sie mit einer öffentlichen Veranstaltung in Schwandorf am Vorabend zusammen, wo der grüne Landtagsabgeordnete Prof.Dr.Weiss unter anderem über den Untersuchungsausschuß „Die WAA in Wackersdorf“ berichtet und darauf hingewiesen hatte, daß dessen Sitzungen öffentlich sind. Einige der Zuhörerinnen und Zuhörer kündigten daraufhin ihr Erscheinen am nächsten Tag an.
Offenbar hielt man sie in München für so gefährlich, daß Hohendorf und Fechtner höchstpersönlich dem Untersuchungsausschuß beiwohnten. Die beiden leitenden Polizeibeamten bestritten allerdings vehement, irgend etwas gewußt zu haben. Empört wiesen sie allein die Möglichkeit eines solchen polizeilichen Eingriffs zurück. Mit dieser Aussage stehen sie mittlerweile allein auf weiter Flur; vom Landtagsamt wird der Vorfall nicht mehr dementiert. Dort ist man längst auf Schadensbegrenzung bedacht. So teilte Landtagspressesprecher Müller mit, ein „untergeordneter und in Sicherheitsfragen unzuständiger Mitarbeiter des Landtagsamtes“ habe auf Anfrage der Polizei zur erleichterten Personalienfeststellung „im Falle einer Störung“ Fotokopien der von den Besuchern hinterlegten Ausweise gemacht. Die Polizeiwache habe die Fotokopien im Januar sofort vernichtet.
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