: Erbarmungslos „strafende“ Eltern
■ Ehepaar mißhandelte fünfjährigen Sohn
Moabit. Ein junges Ehepaar aus der DDR ist gestern vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen Mißhandlung seines fünfjährigen Sohnes zu jeweils acht Monaten Haft mit Bewährung verurteilt worden. Die Eheleute im Alter von 26 und 28 Jahren hatten nach ihrer Übersiedlung aus Potsdam im November '89 in einerTurnhalle und danach bis Februar in einem Wohnheim in West-Berlin gelebt. Während dieser Zeit haben sie das Kind nach übereinstimmenden Zeugenaussagen zur „Bestrafung“ mehrfach heftig geschlagen und häufig nackt lange Zeit in der Ecke stehen lassen.
Der Junge habe nach Aussagen einer damaligen Mitbewohnerin nackt mit einem Schlüpfer über dem Kopf draußen stehen müssen, nachdem er in die Hose gemacht habe. Die anderen Kinder hätten ihn gehänselt, die Mutter habe jedoch keinerlei Erbarmen gezeigt. Sie habe ihren Sohn auch mit dem Kopf auf die Tischplatte geschlagen, als dieser nicht essen wollte. Von seinem Vater sei das „total verängstigte Kind“ so heftig mit der Handkante geschlagen worden, daß eine Schwellung des Nackens deutlich sichbar gewesen sei.
Die Eheleute hatten die Vorwürfe im wesentlichen bestritten. Die anderen Übersiedler hätten ihnen „eins auswischen wollen“, weil sie das Ehepaar nicht ausstehen konnten. Nur wenn der Junge extrem ungezogen gewesen sei, sagte der Vater, sei er manchmal leicht geschlagen worden. Bloß einmal sei er kurz mit nassen Kleidern wegen seiner Faulheit kurze Zeit auf den Flur gestellt worden. Die anderen Kinder sollten über ihn lachen. Eine derartige seelische Quälerei, das Kind zum Gespött der Spielkameraden zu machen, überschreitet nach den Worten der Staatsanwältin das elterliche Züchtigungsrecht. Der Richter betonte, daß bei dem noch kleinen Kind gerade in der schwierigen Umbruchsituation des Wechsels von der DDR nach West-Berlin mit Sicherheit beträchtliche Schäden angerichtet worden seien.
dpa
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