Die Gefahren der Rockmusik

Wieder eine gräßliche Meldung aus den Vereinigten Staaten. Die Hardrocker der Gruppe Judas Priest machen mit dem Leibhaftigen gemeinsame Sache. Wegen Anstiftung zum Selbstmord muß sich die Heavy-Metal-Kapelle jetzt vor Gericht verantworten. Sie werden von den Angehörigen zweier Fans beschuldigt, auf ihrer LP Stained Class eine Aufforderung zum Suizid versteckt zu haben. Die beiden jungen Männer hatten im Dezember 85 mehrmals die Platte gehört und dabei jede Menge Alkohol und Marihuana konsumiert. Der 18jährige Raymond Belknap schnappte sich daraufhin eine Flinte und erschoß sich. Sein 20jähriger Freund James Vance

wollte ihm folgen, schoß sich aber „nur“ das halbe Gesicht weg. Er starb drei Jahre später aufgrund von Komplikationen, die von der Verletzung und der Behandlung mit Medikamenten herrührten. Die Verwandten der beiden versichern, auf Stained Class sei eine unterschwellige Botschaft, die zu Satanismus, sexueller Aggressivität, Gewalttätigkeit und Selbstmord verleite. Judas Priest bestreiten natürlich, jemals ein Abkommen mit dem Antichristen getroffen zu haben.

Das hörte sich alles an wie eine verdammte Stephen-King -Story, und ich bin ein glühender King-Fan. Also rannte ich gleich in den nächsten Plattenladen und besorgte mir die Scheibe. Zu Hause angekommen, machte ich ein Budweiser auf und setzte die gefährliche Platte in Gang. Den Lautstärkeregler drehte ich voll auf, damit mir nur ja nichts von der geheimen

Botschaft durch die Lappen ging. Aus den Boxen dröhnte primitivster Rock der sterbenden 70er. War schon starker Tobak, der Sänger hörte sich an, als würde gerade jemand seinen Arsch grillen. Ich hatte mich bis Saints in Hell vorgearbeitet, als das Böse

sich materialisierte. Meine Freundin kam ins Zimmer. Sie tippte sich an die Stirn und fragte: „Was'n hier los, kleiner Rückfall in die Pubertät oder was?“ Ich versuchte ihr klarzumachen, daß es sich um ein wissenschaftliches Experiment handeln würde, aber dem Sänger gingen sie gerade unüberhörbar an seine Kronjuwelen, und sie verließ kopfschüttelnd den Raum. So konnte ich ihr leider den Teil mit der sexuellen Aggressivität nicht mehr erzählen, das hätte sie interessiert. Nach dem zweiten Durchlauf und der vierten Flasche Budweiser drückte ich die Stop-Taste. Inzwischen konnte ich die beiden Jungs mit der Flinte gut verstehen, ich hatte zwar keine Botschaft gehört, trotzdem war ich kurz davor, ihrem Beispiel zu folgen, aber wahrscheinlich hätte meine Freundin die Sache vorher erledigt.

Karl Wegmann