: A Night in Voicesia
■ Evelyn Gramel singet aufs Vergnüglichste und Michael Berger pianiert dazu
Wer „Die Fabelhaften Baker Boys“ gesehen hat, weiß, daß eine Sängerin und ein Piano zusammengehören wie Miles und Davis. Nun haben wir in Bremen zum Glück zumindest einen fabelhaften Berger-Dschungen, der neben seinen vielen anderen Projekten in den letzte Jahren immer mehr im Duo mit Sängerinnen zusammenspielt - wohl am längsten und intensivsten mit Evelyn Gramel.
Die beiden stellen nun ein Programm mit dem Titel „Voicing“ vor, bei dem als erstes auffällt, daß es einen viel breiteren musikalischen Rahmen absteckt, als die letzten Auftritte der beiden vermuten ließen. Während sie sich dort fast nur auf Jazzstandards beschränkten, finden sich jetzt Lieder von Joni Mitchell, Police oder Bruce Hornsby neben „The Night in Tunesia“ und „All Blues“.
Und so vielseitig wie die Musikstile sind auch die Interpretationen der beiden Musiker. Mal
gehen sie sehr frei und spielerisch mit dem Material um bei Stings „Walking in your Footsteps“ grunzt und krächzt Evelyn Gramel etwa so animalisch, als wollte sie die Dinosaurier aus dem Text wieder aufwecken, und in dem winterlichen „River“ läßt Berger ganz kurz „Jingle Bells“ anklingen. „Coyote“ wurde dagegen fast Note für Note so gesungen, wie Joni Mitchell es aufgenommen hat, und bei „The Night in Tunesia“ hörte man den Scatgesang von Ella Fitzgerald deutlich heraus.
Evelyn Gramel überzeugt durch ihre Technik und den expressionistischen Vortrag, von dem sie sich aber auch immer ein wenig ironisch distanziert. Ihr Solo ist zum Beispiel ein Hundertmeterlauf durch die verschiedenen Stadien einer Liebe in Form eines Jazzsongs, bei dem das „I got the blues“ am Ende eher „I got there in time“ heißen müßte.
Berger findet immer neue, interessante Nuancen in der Beglei
tung. Wer seine ausufernden Soloexkursionen kennt, weiß, wie sehr er sich hier zurücknimmt. Seine Vorliebe für romantischen Wohlklang kann er in den Balladen gut ausspielen, und der Swing seines Pianos läßt auch bei den rockigen Stücken nie eine Rhythmusgruppe vermissen.
Ein gutes Piano kann das Cafe Lagerhaus nicht bieten, Berger spielt statt dessen auf seinem Yamaha Grand Piano, einem elektrischen Klavier, das fast so klingt wie ein akustisches. So kann sich Frau Gramel auch leider nicht so verführerisch auf dem Flügel wälzen wie Frau Pfeiffer; dafür waren ihre Ansagen und Bühnenpräsenz natürlich und witzig und schufen eine familiäre Atmosphäre im Lagerhaus. Deren Sommerprogramm gegen die gähnende Leere des Sommerlochs hätte keinen besseren Auftakt haben können.
Willy Taub
Heute nochmal dortselbst zu hören, 21 Uhr
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