: „Noch nicht so ganz unser Standard“
■ DDR-Reise-Fieber in Bremen? Ein Streifzug durch die Reisebüros
Ein Bekannter fährt seit Wochen zum Warnemünder Ostseestrand, um dort westdeutsches Dosenbier zu verkaufen. Meine Eltern kamen jüngst völlig aufgelöst vor Begeisterung vom schönen Elbsandsteingebirge wieder. Allerdings wohnt da auch Tante Lore. Man munkelt, Rügen sei schöner als Sylt und die Mecklenburgische Seenplatte reizvoller als die Holsteinische Schweiz. Und als ich vor kurzem die DDR mit dem Reisezug von Berlin nach Chemnitz (das Ortsschild ist schon ausgewechselt) durchmaß, war es ein Gefühl wie Weihnachten, und die Nase klebte am Fenster.
Wie neugierig sind die BremerInnen auf das Land hinter der
früheren Grenze? „Hier tut sich nichts in Sachen DDR“, erfahre ich in einem Reisebüro. Die Reisekauffrau: „Anfang des Jahres war die Nachfrage groß, aber seit der Währungsunion ist es den Leuten zu teuer geworden.“ Und wenn, meint sie, schwingen sich die Leute selbst ins Auto und fahren drauflos.
Beim nächsten „Internationalen Anbieter“ kommt es zu einem Mißverständnis: „Ja, wir arbeiten mit den Reisebüros in der DDR zusammen und bieten dort beispielsweise unsere Mallorca -Reisen an.“
„Wir weisen die Leute darauf hin, daß die Erwartungen nicht zu hoch sein dürfen, was den Hotel-Komfort angeht“, erklärt eine andere Reise-Expertin, „das ist ja noch nicht so ganz unser Standard“. Die Nachfrage sei groß
und das Hotel-Personal deshalb gelegentlich überlastet. Bei ihr bieten Busveranstalter Reisen „überall hin“ an: Nach Berlin, Frankfurt/Oder, Leipzig und Dresden oder an die Ostsee. Es gibt Privatpensionen, in denen ein Doppelzimmer mit Frühstück 40 Mark kosten, ansonsten Ferienwohnungen und Hotels in verschiedenen Güteklassen. Ein Doppelzimmer im früheren Interhotel kostet zwischen 150 und 200 DeMark.
Über die Bettenkapazitäten brauchen wir uns nicht mehr lange zu sorgen. „Da kommt einiges hinzu“, droht die Reisekauffrau an: Landgasthäuser werden zum Familienurlaub angeworben, und an der Ostsee-Küste sind schon „Ferienanlagen“ in Planung.
Kommen Beschwerden? Ei
gentlich nicht, nur daß die verwöhnten BremerInnen manchmal ihre Buchung stornieren, einfach weil die Bestätigung zu lange dauert. Wenn schon eine Kurzreise, dann auch jetzt hier und sofort. Wer würde als Reiseveranstalter auch schon zugeben, daß die Leute meckern.
Eine Reise nach Rügen, laut Reisekatalog „Osteuropa“ eine Insel mit breiten Sandstränden, Steilküsten, der Stubbenkammer (was ist das denn?), dem berühmten Kreidefelsen und ausgedehnten Buchenwäldern, ideal zum Wandern und Erholen, kostet für acht Tage und sieben Übernachtungen im Mittelklasse-Hotel 651 Mark ohne Anreise. Ist das Hotel denn schön? „Ich war selbst noch nicht da“, sagt die Expertin. Beate Ram
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