: HMI: Angst vor Schreyer
■ Wird die Umweltsenatorin dem HMI-Forschungsreaktor die Genehmigung endgültig versagen? / Verfassungsrechtler stärkt Schreyer den Rücken
West-Berlin. Überraschende Wendung im Streit um den Forschungsreaktor des Hahn-Meitner-Instituts (HMI): Die HMI -Leitung, die monatelang eine rasche Entscheidung über die Reaktorgenehmigung verlangt hatte, machte gestern plötzlich eine Kehrtwendung und plädierte für eine Verzögerung des Verfahrens. „Die Voraussetzungen für eine abschließende Entscheidung“, erklärte das Institut, seien zur Zeit „noch nicht gegeben“. Vordergründig argumentiert das HMI damit, daß ihm von AL-Umweltsenatorin Schreyer bisher keine hinreichende Akteneinsicht gewährt worden sei. Tatsächlicher Hintergrund ist offensichtlich die Angst der Forscher, Schreyer könnte schon in den nächste Wochen die Betriebsgenehmigung endgültig ablehnen. „Wir haben den Verdacht“, bestätigte HMI-Sprecher Horstmann, „daß wir abschlägig beschieden werden.“
Die Umweltsenatorin will in der Tat, wie sie gestern sagte, den Entwurf ihrer Entscheidung nach der Senatssitzung am Dienstag dem HMI zwecks Anhörung zukommen lassen. Sie sehe „keinen Anlaß, weniger zügig weiterzuarbeiten“, erklärte Schreyer. Über den Inhalt ihres Schreibens an das Institut wollte die grüne Politikerin nichts verraten. Nach ihren bisherigen Äußerungen ist eine Genehmigung des Reaktors jedoch kaum zu erwarten. Die Pläne des HMI, abgebrannte Brennstäbe in Schottland zwischenlagern zu lassen, hatte Schreyer stets als ungenügenden Entsorgungsnachweis kritisiert. Indirekt bekräftigte ihr Staatssekretär Groth gestern diese Haltung. Auf einer Konferenz am Donnerstag seien die Umweltstaatssekretäre aller SPD-geführten Bundesländer zu der Meinung gelangt, daß eine Zwischenlagerung im Ausland „keine dem Gesetz entsprechende Entsorgungsform mehr sei“, berichtete Groth. Grund: Seit die rot-grüne Landesregierung von Niedersachsen ihr Veto gegen ein Endlager in Gorleben eingelegt hat, ist völlig unklar, was mit dem exportierten Atommüll geschehen soll, wenn er nach einigen Jahren vertragsgemäß in die Bundesrepublik zurückkehren muß. Schreyers Atombeamte weisen daraufhin, daß die Entscheidung des Senats über die HMI-Genehmigung eine „Pilotfunktion“ für die Durchsetzung dieser Position haben könnte.
Die Westberliner SPD sieht das freilich weiterhin anders. „Auch hinsichtlich der Entsorgungsfrage“ könne die Genehmigungsentscheidung „nur positiv sein“, erklärte gestern Staatssekretär Kremendahl (SPD) von der Wissenschaftsverwaltung. Wie berichtet, will die SPD -Mehrheit im Senat im Notfall Schreyer die Genehmigungskompetenz entziehen. Dagegen legte die AL -Senatorin gestern ein Gutachten des FU-Professors Christoph Müller vor. Der Verfassungsrechtler bescheinigte Schreyer, daß die Entscheidung über die Betriebsgenehmigung allein in ihrem Haus gefällt werden könne. Eine politischer Beschluß des Senats sei nicht möglich. Allein das Abgeordnetenhaus könnte der Senatorin die atomrechtliche Genehmigungskompetenz entziehen, ergänzte Müller. Wenn ihr diese Kompetenz entzogen werde, drohte Schreyer gestern, „dann zerbricht die Koalition“.
hmt
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