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Proteste gegen Algeriens Islamisten

■ Die FIS, die die ersten freien Kommunalwahlen im Juni gewann, will die islamische Moral auf dem weichen Weg einführen / Die Frauen in Aktion / Linke Opposition schließt sich zusammen

Algier (taz/afp) - Die Frauen Algeriens werden aktiv. Zunehmende Einschränkungen ihrer Freiheit seitens der „Islamischen Heilsfront“, die bei den Kommunalwahlen am 12.Juni die Mehrheit der Kommunalverwaltungen unter ihre Kontrolle brachten, führen zu ersten Widerstandsaktionen. Am Samstag protestierten mehrere hundert Frauen vor dem Parlamentsgebäude in der Innenstadt von Algier gegen das Recht eines Ehepartners, bei Wahlen für den jeweils anderen abzustimmen. „Eine Wahl ist wie ein Gebet, niemand kann es an deiner Stelle tun“, lautete das Motto der Demonstration und eines nachfolgenden Sit-ins, zu dem die „Unabhängige Vereinigung für den Sieg der Frauenrechte“ aufgerufen hatte. Nach Ansicht der Frauen beeinträchtigt das Gesetz die Wahlergebnisse, da es zumeist von Männern genutzt wird, die dann „wählen, wie sie wollen“.

Seit dem 12. Juni haben die Islamisten, deren Sieg zunächst als erster Erfolg eines demokratischen Wandels gefeiert wurde, in mehreren Gemeinden umstrittene Entscheidungen gefällt. Viele hatten mit symbolischen Handlungen begonnen: Sie hängten die offiziellen Bilder von Staatspräsident Chadli Bendjedid ab. Eine neue Atmosphäre herrscht auch in den Büros und den Gesprächszimmern der 853 Kommunen (von 1.541 in Algerien insgesamt), in denen die FIS die Mehrheit errungen hat. Bei Beginn und Ende der Arbeitssitzungen werden Koran-Verse heruntergebetet. Wenn auch „jederzeitige Transparenz“ der allseits verkündete Wahlspruch ist, so wurden doch die weiblichen Angestellten der Ratshäuser natürlich - von ihren männlichen Kollegen getrennt. Die neugewählten Gemeinderäte empfangen den lieben langen Tag Bittsteller und Beschwerdeführer, hören sie sich geduldig an und versprechen, ihr Bestes zu tun.

Die Vorgehensweise der FIS zielt darauf ab, Widerstände in den Gemeinden zu vermeiden, aber gleichzeitig eine „Apartheid der Lebenssphären von Männern und Frauen“ zu praktizieren, so Kamel Abdelaziz, der neue Bürgermeister von El-Achour, einem Vorort von Algier. Die FIS will „den Frauen keinen Maulkorb umhängen und sie auch nicht zum Tragen des Hidschab (des islamischen Schleiers) anhalten, selbst wenn er vom Allmächtigen vorgeschrieben ist“. Vielmehr arbeite die FIS „in dem Sinne, daß die Frauen sich der Bedeutung des Hidschabs bewußt werden und ihn aus freien Stücken anlegen“.

Verbote sind auch kaum nötig. Obwohl an den Badestränden Algiers noch keine Geschlechtertrennung verfügt worden ist, werden sie von den Frauen gemieden. Die Behörden beschränken sich bis jetzt darauf, die schon ältere Verfügung durchzusetzen, nach der in den Innenstädten auf vollständiger Bekleidung bestanden wird. Die Geschlechtertrennung in den Schulen, wie am 12. Juli von der Stadt Constantine beschlossen, regt kaum einen auf. Auf Unmut könnte dagegen die Entscheidung der Stadt Oran stoßen, ein Fest der „patriotischen islamischen Musik“ zu organisieren“, oder die der neben Oran gelegenen Gemeinde Bousfer, moderne Musikdarbietungen zu verbieten. Schließlich wurde die FIS von der desillusionierten Jugend Algeriens gewählt, und diese will weiter tanzen. Auch wenn FIS-Führer Madani versichert hat, er habe „nicht die Absicht, denjenigen das Tanzen zu verbieten, die sich weiter so vergnügen wollen“, fürchten doch die Künstler, daß es Übergriffe von seiten einiger Eiferer geben könnte. „Die FIS hat nichts weiter als Verbote vorzuschlagen“, sagte dazu der Sänger Ferhat Mehenni, gleichzeitig ein Führer der oppositionellen „Sammlung für Kultur und Demokratie“ (RCD). Um eine Alternative jenseits der Islamisten und der diskreditierten Staatspartei FLN aufzubauen, schloß sich die RCD am Wochenende mit mehreren algerischen Oppositionsparteien und Gruppierungen zu einer „Nationalen Konferenz der Demokraten“ (CND) zusammen.

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