: Kreisstadt HB: Senat „nahm Kenntnis“
■ Wenn Bonn Bremen abschaffen will, fährt Klaus Wedemeier Tennis spielen
In der taz z.B. ist die Sache durch einen Urlaubsplan geregelt. Drin steht, wer wann wie lange in Urlaub fährt. Die Bremer Landesregierung praktiziert ein anderes Modell: Wann Klaus Wedemeier weg ist, weiß Klaus Wedemeier und sonst niemand. Selbst enge Vertraute des Bürgermeisters fielen letzte Woche aus allen Wolken, als der kaum von einem ausgiebigen USA-Urlaub zurückgekehrte Klaus Wedemeier sich erneut in die Ferien verabschiedete und für dringende Fälle eine spanische Telefonnummer hinterließ.
Der dringende Fall trat schneller ein als erwartet: Am letzten Freitag liefen in der Senatskanzlei die Telefax -Geräte heiß. Die Hamburger Senatskanzlei war so freundlich, die Bremer Kollegen fernschriftlich von ihrer geplanten Abschaffung in Kenntnis zu setzen: Mit dem Vermerk „eilt sehr! bitte sofort auf den Tisch“ informierte der Hamburger Senatsdirektor Walter Jürgen Schmid seinen Bremer Kollegen Hans-Henning Zietz über eine in Bonn geplante Änderung des Grundgesetzes. Im Artikel 29 sollte es künftig heißen: „Aus Anlaß der Herstellung der deutschen Einheit kann das Bundesgebiet bis zum 31. Dezember 1999 neu gegliedert werden, soweit gewährleistet werden soll, daß die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksamer erfüllen können.“ Klartext: Bremen kann verschwinden. Für den Fall, daß Bremen anderer Meinung sein sollte, hatte Bundesinnenminister Schäuble folgende Lösung parat: „Bis zum 31. Dezember 1999 (kann) durch Bundesgesetz eine Neugliederung vorgenommen werden. ... Die betroffenen Länder sind zu hören.“
Drei Tage später hatte sich die Senatskanzlei - auch ohne den tennisspielenden Bürgermeister - eine Meinung zu Schäubles Vorstoß überlegt: Sie regte an, am besten überhaupt keine Meinung zu haben. Für die Senatssitzung am letzten Freitag erarbeitete sie eine 1 1/4-seitige Tischvorlage. Unter Punkt „G-Beschlußvorlage“ heißt es lapidar: „Der Senat nimmt ... von den Überlegungen des BMI (Bundesinnenministeriums) zu Art. 29 GG Kenntnis.“ Punkt, aus.
Einen Tag später war auch den Herren in der Senatskanzlei eingefallen, daß ihnen zur drohenden Abschaffung Bremens ein bißchen wenig eingefallen war: Per Telefax-Gerät regte die Senatskanzlei ein Brainstorming aller Senatoren unter dem Motto „Was fällt uns eigentlich zu Bremen und der deutschen Eingung ein“. Abgabefrist: Zwei Tage später. Die gesammelten Ergebnisse wurden gestern dem frisch heimgekehrten Klaus Wedemeier überreicht. Wochenendlektüre, was in Bremen alles auch ohne ihn geht.
Rosi Roland
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