: „Eisen erzieht, Holz bildet“
■ Bildungssenator Scherf stellte neue Konzepte zur beruflichen Bildung vor
„Kein Bremer Jugendlicher soll in Zukunft ohne Ausbildung bleiben“. Mit großen Zielen trat gestern Bildungssenator Henning Scherf vor die Presse. Scherfs Mittel: Das gesamte Bremer Berufsschulwesen soll in den nächsten Monaten und Jahren neuorganisiert werden.
Sechs Jahre haben Bremens Bildungsplaner diskutiert, 300 Seiten Papier sind herausgekom
men, „kiloweise“, so Scherf gestern, haben Gewerkschaften, Kammern und Innungen Stellungnahmen abgegeben. Jetzt steht das Ergebnis: Gegen die Stimmen der gesamten Opposition hat die Bildungsdeputation das Gesamtwerk abgesegnet.
Erstes handfestes Ergebnis: In einer ganzen Reihe von Bremer Berufsschulen werden demnächst die Umzugskartons gepackt. Statt Bremer Hauswirtschafts-BerufsschülerInnen über die halbe Stadt zu verteilen, soll sich in Zukunft das Schulzentrum Neustadt speziell um die angehenden HauswirtschafterInnen kümmern. Angehende ApothekenhelferInnen und DrogistInnen z.B. werden zentral im Schulzentrum Walle mit der nötigen Fachtheorie versorgt, und das Schulzentrum Bördestraße - kürzlich noch auf der Schulstandort-Abschußliste - soll sich in Zukunft um die Ausbildung von Groß- und Außenhandelskaufleuten kümmern. Scherf: „Die Zeit der Schulschließungen ist vorbei!“
Auch für alle Hauptschulabgänger, die keine Lehrstelle bekommen haben, haben sich Scherfs Planer etwas Neues einfallen lassen. In einem zweijährigen Fulltime-Lehrgang sollen sie
an Bremer Berufsfachschulen nicht nur den fehlenden Hauptschulabschluß nachholen können, sondern obendrein „praxisbezogen“ auf eine anschließende Berufsausbildung vorbereitet werden. (vgl. taz vom 25.7.) Name des neuen Ausbildungswegs: „JÜK“, was so viel heißt wie „Jahrgangsübergreifende Klasse“. Pädagogisches Motto von Bremens oberstem Schulplaner Walter Freitag für die eingeplanten Werkstatt-Erkundungen: „Eisen erzieht, Holz bildet“.
DrückebergerInnen vor dem neuen Kurs soll es gleichwohl nicht geben: Wer keine Lehrstelle hat und seine 12jährige Schulpflicht noch nicht abgesessen hat, muß den neuen Kurs besuchen. Die bisherige Alternative für jugendliche Arbeitslose, bei ABM-Maßnahmen zu lernen und dafür obendrein bezahlt zu werden, soll es für diese Jugendlichen nicht mehr geben: „Ich bin dagegen, daß das Arbeitsamt uns solche Jugendlichen aus der Schule rauskauft. Auch wenn die Träger die besten Absichten haben. Die Jugendlichen kommen in der Regel für die kurzfristige Aussicht aufs Geld und bezahlen hinterher mit einem Leben als Hilfsarbeiter. Wir können den Jugendlichen
zwar höchstens Bafög bieten, dafür aber eine sinnvolle Qualifikation“.
Daß dank „JÜK“ freie Weiterbildungsträger arbeitlos werden, will Scherf nicht glauben: „Es gibt in Bremen ca. 10.000 arbeitslose Jugendliche. Wenn die Schule sich jetzt um die Schulpflichtigen kümmert, bleibt für andere immer noch genug zu tun.“
K.S.
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