Lebensechte Kolportage

■ „Wohin die Liebe führt“, Bayern 3, 21.45 Uhr

Harold Robbins bekommt seine Plazierung in den Bestsellerlisten so pünktlich und zu zuverlässig wie der Bundeskanzler den 'Spiegel‘. Mit im Akkord heruntergehackten Kolportagegeschichten erzielt er weltweit Millionenauflagen. Häufig spielen seine Romane in der Welt der Schönen und Reichen, in den oberen Etagen der US-Wirtschaft, in den Herbergen der Upperclass in Washingtoner Büros und in den Villen Hollywoods. Den Fall Turner, der sich im April 1958 in Beverly Hills ereignete, hätte Robbins nicht besser erfinden können, und darum verarbeitete er die Tatsachen kaum verbrämt in einem seiner Bücher.

Lana Turner gehörte noch in den vierziger Jahren zur Oberliga der amerikanischen Aktricen, auch wenn Kritiker ihr immer wieder bescheinigten, daß ihre meist trefflich ins Bild gesetzten Körpermaße ihr schauspielerisches Talent weit übertrafen. Ende der Fünfziger aber war sie nach einer Reihe von Flops von ihrem Studiokontrakt mit der MGM entbunden, will sagen: gefeuert worden.

Auch privat ging es bei ihr drunter und drüber: Insgesamt heiratete sie achtmal und hatte unzählige, meist ziemlich turbulente Affären. Aus einer dieser Verbindungen stammt Turners Tochter Cheryl Crane.

Cheryl war vierzehn, als Lana Turner und ihr damaliger Liebhaber Johnny Stompanato, ein halbseidener „Geschäftsmann“ mit besten Verbindungen zum Gangstertum (der mehr Geld als Gigolo verdiente als mit seinem Souvenirlädchen in L.A.), sich eines Nachts eine von zahllosen, nicht selten handgreiflichen Auseinandersetzungen lieferten. Cheryl wähnte ihre schöne Mutti in Gefahr, holte ein spitzes Küchenmesser aus der Lade - und Johnny Stompanato machte einen vorzeitigen Abgang.

Der Fall selbst wie auch die anschließende Gerichtsverhandlung waren natürlich ein gefundenes Fressen für die Presse, die Lana Turner ob ihres unmoralischen Treibens zerfetzte. Turners Auftritt im Gerichtssaal beschreibt Klatschchronist Kenneth Anger frech als „die dramatischste Szene in Lanas Laufbahn“. Vermutlich war es auch ihre beste schauspielerische Leistung, denn ihre Tochter wurde freigesprochen, überstand das Ganze ohne nennenswerten Schaden und ist heute eine erfolgreiche Geschäftsfrau.

Auch Lana Turners Karriere erfuhr noch einen kurzen Aufschwung, nachdem ein cleverer Produzent, den publicityträchtigen Wirbel um den Mordfall nutzend, sie in Sirks Edelschnulze Solange es Menschen gibt in der Rolle einer vom Schicksal gebeutelten Schauspielerin einsetzte. Harold Robbins verwandelte die Schauspielerin Turner in eine Bildhauerin und verlegte das Geschehen nach San Francisco, machte aber ansonsten keinen Hehl daraus, welche Personen für das Familiendrama Pate gestanden hatten. Edward Dmytryk, der ein Jahr zuvor bereits Robbins Buch Die Unersättlichen verfilmt hatte, nahm auch diesen publikumswirksamen Stoff auf und drehte 1964 Wohin die Liebe führt, mit Susan Hayward, Bette Davis, Joey Heatherton und Michael Connors in den Hauptrollen.

Harald Keller