: Der beste Gag seit Coca Cola
■ In Brüssel geht Zwölf-Sterne-Nippes weg wie warme Semmeln Immer mehr Menschen entwickeln sich zu Eurofans
Aus Brüssel Michael Bullard
Stolz prangen zwölf Sterne im goldenen Rund auf blauem Grund. Nicht einmal, zweimal - tausendmal funkeln sie auf Feuerzeugen, Uhren, Handtüchern, Schirmen. Gold auf Azurblau - nichts stört diese himmlische Einheit irdischen Nippes. Selbst die Verkäuferin trägt es: das Symbol der Europäischen Gemeinschaft. Denn blaugoldene Läden boomen zur Zeit in Europas Touristenzentrum Brüssel. Amerikaner und Japaner reißen sich geradewegs um die europäischen Trophäen. „Ein Bombengeschäft. Die Leute kaufen diese Produkte, weil sie an Europa glauben. Sie wollen dazu beitragen, auf Europa aufmerksam zu machen.“ Doch nicht nur Ladenbesitzerin Nicole du Jacquires ist von EG-Sendungsbewußtsein erfüllt. EG-Image -Manager Bill Martin hält die Idee Jacques Delors - EG 92 für den besten Werbegag nach Coca Cola. In der Tat: Ungeachtet des Abbaus sozialer und demokratischer Rechte in der EG begeistern sich mehr und mehr BürgerInnen Europas für den Integrationsprozeß der Zwölf. Und nichts vermittelt das Zugehörigkeitsgefühl besser als der blaugoldene Ramsch.
Vor vier Jahren hatte der EG-Kommissionspräsident das Emblem dem 1949 gegründeten und in Straßburg beheimateten Europa-Rat geklaut. Seitdem wehen über beiden Organisationen die zwölf goldenen Sterne - für jedes Mitgliedsland der EG einer. Damals fing auch das Geschäft mit Europa an. Zuerst sollten die Einnahmen aus dem Verkauf von blaugoldenen Regenschirmen lediglich zur Finanzierung der Krebsforschung dienen, erinnert sich Martin. Doch jetzt prangt das Emblem nicht nur auf Autos und Heißluftballons. Es ziert Unterhosen, T-Shirts, Zahnbürsten, Kugelschreiber, Geldbeutel - kurz alles, was Eurofans anfassen können. Der bislang letzte Hit - für die eurobewußte Frau: das Europarfüm „Goldblau“. Zu verdanken haben sie dies der „Promotion“ des Image-Beamten Martin und seines „Teams 92“. Doch daß mit der Idee von Europa ein Geschäft zu machen ist, hat auch die Popgruppe „The Kinks“ erkannt. Auf ihrer Eurotour durch die USA lobpreisen sie:
„Der Zukunft heller Morgen leuchtet für jetzige und kommende Generationen,
denn hier kommt Hoffnung für die Menschheit.
Jeden Tag eröffnet sich dem Blick ein neuer Horizont bis 1992,
wenn alle Nationen sich zusammentun in Einheit“.
Fazit: - Kitsch as kitsch can - life oder auf Platte.
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