: „Special Relationship“ zwischen USA und Liberia
■ Ein afrikanischer Brückenkopf des US-Militärs / Entscheidung zum Truppeneinsatz fiel auf Irak-Krisensitzung
Berlin (taz/wps) - Es ist kein Zufall, daß ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als über eine mögliche Militäraktion der USA gegen den Irak nachgedacht wurde, US-amerikanische Marines in Liberia landeten. Die Entscheidung, zum Schutz von US-Bürgern 255 „Ledernacken“ in das bürgerkriegsgeschüttelte westafrikanische Land zu entsenden, fiel auf dem zur Erörterung der Lage am Golf einberufenen Treffen zwischen Präsident Bush und hochrangigen Beratern in Camp David am Wochenende. Marlin Fitzwater, Sprecher des Weißen Hauses, meinte am Sonntag, die Aktion in Liberia „zeigt, daß Präsident Bush über das Wohlergehen amerikanischer Staatsbürger äußerst besorgt ist“. Es würde dem Irak sicher nicht entgangen sein, daß die USA „immer wieder“ in Aktion getreten seien, um ihre Bürger im Ausland zu schützen.
Allerdings ist es das erste Mal seit 1982, daß US-Marines tatsächlich zu diesem Zweck agierten. Damals wurden amerikanische Bürger aus dem Libanon evakuiert. Die Invasionen Grenadas und Panamas 1983 und 1989 richteten sich primär gegen die dortigen Regierungen. In Liberia, so wird in Washington betont, wollen die USA nicht Partei ergreifen.
Die Operation „Sharp Edge“ begann am Sonntag im Morgengrauen, als 17 Flugzeuge von dem Flugzeugträger „USS Saipan“ aufstiegen. Harrier-Jäger, bestückt mit „Sidewinder“ - und See-Land-Raketen, deckten zwei Transporthubschrauber, die im US-Botschaftsgelände in Monrovia landeten. Andere Fluggeschwader landeten in der Gemeinde Brewerville 12 Meilen nordwestlich von Monrovia sowie an der Straße von Monrovia zum Flughafen Robertsfield. An diesen Orten befinden sich Nachrichtenübermittlungseinrichtungen der CIA und des Pentagon sowie die Sendeanlagen von „Voice of America“. Die dort gesammelten Materialien wurden entweder zerstört oder von den 21 US-Bürgern, die sich in diesen Einrichtungen befanden, mitgenommen. Hubschrauber transportierten sie zurück zur „Saipan“ und flogen dann zum Botschaftsgelände in Monrovia. Insgesamt wurden in der acht Stunden dauernden Aktion 61 US-Amerikaner, acht liberianische Familienangehörige von US-Bürgern sowie vier weitere Ausländer evakuiert. Die Evakuierten wurden in der Nacht zum Montag nach Sierra Leone geflogen.
Der Großteil der 255 US-Marines, die an der Operation teilnahmen, befinden sich weiter in der Botschaft. Sie sollen, so Fitzwater, „so lange wie nötig“ dort bleiben, um die verbliebenen 46 Botschaftsangehörigen zu schützen. Eine direkte militärische Intervention sei nicht beabsichtigt.
In Liberia befinden sich mehr US-Einrichtungen als in jedem anderen schwarzafrikanischen Land. Darunter sind CIA -Stationen für Spionage und Nachrichtenübermittlung sowie eines der acht „Omega„-Kommunikationssyteme der US-Marine zur Fernsteuerung von raketenbestückten U-Booten im Atlantischen Ozean. Ein Militärabkommen gibt US-Truppen Landerechte in dem westafrikanischen Land. Auch die „Schnelle Eingreiftruppe“ (Rapid Deployment Force) für weltweite US-Militäraktionen kann in Liberia stationiert und von dort aus in Marsch gesetzt werden. In der Vergangenheit wurden von den dafür vorgesehenen Basen US-Verbündete wie die angolanische Unita mit Waffen versorgt.
Liberia ist traditionell den USA eng verbunden. Bis 1980 regierten Nachkommen freigelassener Sklaven aus Amerika die einheimische Bevölkerung. Nach Samuel Does Putsch 1980 ging diese afro-amerikanische Elite ins Exil in die USA. Doch auch unter Does Amtszeit hielt die Freundschaft an. Insgesamt hat Liberia in Does Amtszeit fast 500 Millionen Dollar US-Gelder erhalten, davon 52 Millionen Militärhilfe. Da der US-Dollar Landeswährung ist, wird der Staat zunehmend von Drogenhändlern als Geldwaschanlage genutzt. Die US -Drogenbekämpfungsbehörden haben sich jedoch bislang geweigert, dem nachzugehen.
Es besteht überdies ein direkter Zusammenhang zwischen der Flottenstationierung vor Liberia und dem Aufmarsch gegen Irak. In diesen Tagen wird ein Verband amphibischer Landungsschiffe von der amerikanischen Ostküste aufbrechen. Er sollte ursprünglich den vor Liberia stationierten Verband ablösen, wird jetzt jedoch Kurs auf den Persischen Golf nehmen. Somit werden die USA in beiden Teilen der Welt Truppenlandungen vornehmen können.
Die US-Flotte vor Liberia wird wohl demnächst von der nigerianischen Marine Verstärkung erfahren. Im Hafen von Freetown, der Hauptstadt Sierra Leones, liegen zwei nigerianische Fregatten und ein Schlepper vor Anker. Heute treffen sich die Mitgliedsstaaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) in Gambia, um über die Entsendung einer westafrikanischen Friedenstruppe zu beraten. Die nigerianische Militärregierung hatte am Freitag diesen Schritt öffentlich in Erwägung gezogen, „um die Sicherheit von Bürgern Liberias und anderer Staaten der ECOWAS in Liberia zu garantieren“.
Dominic Johnson
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