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Der Kassen- als Kurssturz

McCASH FLOW

Der „Kassensturz“, den Kanzler Kohl am Sonntag für das von ihm dirigierte Vereinigungschaos forderte, fand statt: als Kurssturz an den deutschen Börsen, die auf den tiefsten Stand des Jahres fielen.

Um mehr als fünf Prozent ist der Aktienindex DAX am Montag nach unten abgesackt: „Die Regierung scheint den Überblick über die Kosten der Einheit verloren zu haben“ - so wurde die Kohl-Äußerung auf dem Parkett interpretiert. Für die Aktienhändler bedeutet dies, daß es mit der „Ostphantasie“ westdeutscher Aktien erstmal vorbei scheint, und am Rentenmarkt ist die Aussicht auf stabile oder gar leicht fallende Zinsen ebenfalls vorüber. Die von Kohl in Aussicht gestellte neue Schuldenmacherei trieb den Zins für öffentliche Anleihen auf neun Prozent.

Mit diesen Kursverlusten auf breiter Front setzte sich der Finanzmarkt Bundesrepublik mit an die Spitze einer internationalen Baisse-Bewegung, mit der die Weltaktienmärkte auf die Golf-Krise, steigende Ölpreise und wachsende Inflationsangst reagierten. Daß es im Rahmen der internationalen Unsicherheiten dennoch das hausgemachte Chaos der Bundesregierung war, das zu dem starken Kursrutsch führte, zeigt ein Blick auf den US-Dollar.

Der Greenback notiert derzeit mit rund 1,57 DM auf seinem historischen Tiefstand und gleicht so ziemlich exakt die Preissteigerung des (in Dollar fakturierten) Öls aus. Von Rezessionsgefahr durch steigende Ölpreise kann in der Bundesrepublik aktuell also noch nicht die Rede sein, auch wenn die Mineralölkonzerne die langersehnte Chance nutzen und die Benzinpreise jetzt erhöhen werden.

Der von Kohl mit „Kassensturz“ umschriebene fehlende Durchblick auf die wirtschaftlichen Konsequenzen der schnellen D-Mark-Einführung in der DDR wird den deutschen Aktienmarkt auch noch belasten, wenn sich New York, Tokio und London vom ersten Schock der Golfkrise wieder erholt haben.

Derzeit geben sich die Börsenexperten völlig ratlos und unsicher: Zwar hält man die Kursrückgänge vom Montag für eine fundamental nicht gerechtfertigte Überreaktion, an einen steilen Wiederaufstieg glaubt aber offenbar niemand so recht. Jedenfalls war von den alten Börsianer-Parole „Schwache Tage sind Kauftage“ zum Wochenbeginn so gut wie nichts mehr zu hören.

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