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Safeknacker mit Stauballergie

■ „Traumtänzer“ von Bill Forsyth, dem Regisseur von „Local Hero“

Zuerst habe ich ihn gar nicht erkannt. Und dann fragte ich mich, warum Bill Forsyth soviel Schminke und Latexgummi verwendet hat, um einen Macho und Draufgänger zum Rentner umzustylen, nur damit Burt Reynolds einen ernstzunehmenden Film in seiner Biographie verzeichnen kann. Schließlich gibt es genügend ältere Schauspielprofis, die den liebenswerten Gentleman-Gauner, in dessen Haut Burt Reynolds nach Stunden in der Maske jetzt steckt, ebenso überzeugend spielen könnten.

Aber wahrscheinlich ist es immer noch so, daß mehr Menschen Burt Reynolds kennen als Bill Forsyth und schottische Regisseure mit allem rechnen müssen - eben auch mit ein paar Zuschauern, die auf den Namen des Hauptdarstellers schielen und den ganzen Film über nur auf die erste Verfolgsungsjagd warten, den ersten Hieb mit der Faust ersehnen.

Soweit ist es zum Glück noch nicht. Aber es ist auch nicht beim satirischen Blick geblieben, mit dem Forsyth seine schottischen Landsleute in Local Hero bedachte. Und die heimische Eiscreme-Mafia aus Comfort And Joy ist ihm auch zu popelig geworden. In Amerika können Gangster ungestörter arbeiten, so ungestört, daß Ernie und Mike abgesehen von einer paar Randfiguren - den ganzen Film mit dem Zuschauer allein sind. So gesehen funktioniert die Komödie nur, wenn der Zuschauer sich einläßt auf das Zwiegespräch und selbst zum Traumtänzer wird, dazu bereit, ein paar Haken zu verzeihen, die - nüchtern betrachtet - den Film viel zu sentimental erscheinen lassen.

Ernie ist ein angegrauter Safeknacker mit einer Stauballergie, die ihm jedes Mal zu schaffen macht, sobald sich die Rauchschwaden gelegt haben, die entstehen, wenn er Panzerschränke sanft mit Nitroglyzerin öffnet. Bei einem der nächtlichen Beutezüge trifft der routinierte Profi auf den naiven Jungen Mike, der nur so aus Spaß einbricht und ganz brisante Schränke knackt - die Kühltruhen der Nobelvillen. Ernie erkennt die Fähigkeit des Jungen, dem sein Job in einer Autowerkstatt zum Hals heraushängt, und beginnt, ihm nach und nach die entscheidenden Kniffe des diebischen Handwerks beizubringen.

Natürlich ist auch Traumtänzer wieder eine poetische Komödie mit rührend schrulligen Figuren und einer Spur von Selbstironie. Aber Bill Forsyth hat seine Outsider diesmal so isoliert, als säßen sie wie weiße Mäuse in einem Käfig eines Versuchslabors, das zufällig Amerika heißt und auch danach aussieht. Forsyth fehlen die lokalen Bezüge und ein Terrain, auf dem er sich sicher bewegen kann, weil er es kennt. Zwar sind Ernie und Mike „kleine“ Leute, deren Schicksal mit viel Hintersinn erzählt wird. Aber sie erscheinen seltsam losgelöst, ihre Charaktere sind eben nicht so klar umrissen wie die der Dorfbewohner vonLocal Hero, deren Ort von einem amerikanischen Öl-Multi bedroht ist. Forsyth beobachtet nur zwei liebenswerte Gauner, denen jegliche Identität fehlt. Auch den Schluß hat Forsyth weichgespült. Ein richtiges Happy-End gibt es nicht, denn Mike wird ertappt und landet im Knast. Ein echter tragischer Schluß ist es aber auch nicht, weil Ernie mit dem Diebesgeld Wärter und Zellengenossen besticht, damit es seinem Zögling beim Absitzen der Strafe gutgeht. Das Ende wirkt wie der ganze Film - unentschlossen.

So wird der Film zwei Kategorien von Zuschauern enttäuschen. Diejenigen, die Burt Reynolds kennen und es gar nicht glauben wollen, daß auch in der letzten Szene noch nicht die Fäuste fliegen. Und die anderen, die Bill Forsyth kennen und bemerken, daß bei allem Humor der Scharfsinn abhanden gekommen ist, durch den sich seine Filme bisher ausgezeichnet haben.

Christof Boy

„Traumtänzer“, USA 1989, mit Burt Reynolds, Casey Siemaszko, Regie: Bill Forsyth

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