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Unsichere Zukunft für 300.000 Staatsdiener

■ Dem Land Berlin droht Chaos im öffentlichen Dienst: Was passiert mit dem ehemaligen DDR-Staatsapparat / Ost-Berlin möchte soviele Menschen wie möglich in die künftige gemeinsame Verwaltung übernehmen / West-Berlin hat große Vorbehalte

Berlin. Berlin segelt auf eine riesige finanzielle Misere zu, nicht zuletzt wegen der immensen Ausgaben, die künftig in der geeinten Stadt von der öffentlichen Hand getragen werden müssen. Völlige Unklarheit herrscht derzeit nicht nur darüber, wo das Geld dafür herkommen soll, sondern auch, was mit dem bald überflüssigen Staatsapparat der Hauptstadt passieren soll. Mit dem Beitritt der DDR sind die Tage der meisten Minister in Ost-Berlin ebenso wie die ihrer Angestellten und Mitarbeiter gezählt. Wieviele Menschen in der DDR-Verwaltung arbeiten, ist nicht genau bekannt. DDR -weit werden knapp zwei Millionen Mitarbeiter im öffentlichen Bereich geschätzt.

Im Gespräch mit der taz bezifferten der Ostberliner Innenstadtrat Thomas Krüger (SPD) und sein West -Stellvertreter, Peter Haupt, den Anteil in der Hauptstadt auf bis zu 300.000, für die die Kosten auf das Land Berlin zukommen. Allein beim Magistrat und in den Bezirken sind 73.000 Menschen beschäftigt. Dazu kommen Tausende von Mitarbeitern beispielsweise bei der Polizei, den Energieversorgungsbetrieben, bei der BVB und im Gesundheitswesen, die bisher der Zentralregierung der DDR unterstanden, mit der neuen föderalen Struktur aber den Ländern zugeordnet werden.

Nur die wenigsten der DDR-Staatsdiener haben eine Chance, ihre Stellen zu behalten. In den Verhandlungen zum zweiten Staatsvertrag, ist der öffentliche Dienst „Gegenstand der Verhandlungsmasse“, wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums gegenüber der taz erklärte. Eine Zahl wollte er nicht nennen und vertröstete auf die nächste Woche, wenn die genauen Formulierungen des Staatsvertrages vorliegen müssen. Unklarheit über die wahren Verhältnisse herrscht auch bei der DDR-Regierung: Regierungssprecherin Merkel meinte, die Zahlen seien bekannt - nennen wollte sie sie jedoch nicht.

In Artikel 16 des Entwurfs zum Einigungsvertrag, wie er bis jetzt vorliegt, wird lediglich geregelt, daß „Verwaltungsorgane und sonstige der öffentlichen Verwaltung oder Rechtspflege dienenden Einrichtungen“ an die jeweils zuständige Landesregierung übergeben werden sollen. Hinter verschlossenen Türen wird versucht, einen Schlüssel dafür auszuhandeln, wie der Apparat auf die DDR-Länder verteilt werden soll. Im Gespräch ist zur Zeit ein Modell, bei dem jedes DDR-Land - einschließlich Ost-Berlins - ein Sechstel der Mitarbeiter übernehmen muß. Was mit all diesen Mitarbeitern nach der Vereinigung langfristig geschieht, darüber besteht auf Bundes- wie auf Länderebene große Unklarheit. Während der Bund versucht, das Problem an die Länder abzuwälzen, versuchen die Länder ihrerseits den Bund zu verpflichten. Gut kommen die westdeutschen Länder weg, die nach dem Modell niemand aufnehmen müssen, besonders hart getroffen wird Berlin.

Auch in dem künftigen Land Groß-Berlin prallen die Interessen aufeinander: Während der Ostberliner Innenstadtrat Krüger so viele Mitarbeiter wie möglich in eine gesamtberliner Verwaltung übernehmen will, gibt es von westlicher Seite große Vorbehalte. In West-Berlins Innenverwaltung gibt es offenbar nur vage Vorstellungen darüber, wie eine künftige Gesamtberliner Verwaltung zusammengesetzt sein soll. Klar scheint nur soviel: „Die Westberliner Hauptverwaltung kann nicht mehr wachsen“, so der Sprecher der Innenverwaltung Thronicker. Bedarf bestehe nur auf Bezirksebene.

Ost- und West einfach zusammenzulegen, ist angesichts der angespannten finanziellen Lage Berlins völlig unrealistisch. Die Vorstellungen auf östlicher Seite, soviel wie möglich zu integrieren, werden auf westliche Seite meist verächtlich belächelt. Mit SED-Beamten, so ist im Schöneberger Rathaus zu hören, möchte man nichts zu tun haben. Für die Ostberliner bedeutet das langfristig eine riesige Entlassungswelle und Arbeitslosigkeit. Zwar versucht die neugegründete DDR-ÖTV in den derzeit laufenden Tarifverhandlungen eine weitestgehende Absicherung, an der Lage änderte das so gut wie nichts. In die Anlage zum Staatsvertrag soll auch eine Übergangsregelung aufgenommen werden, daß bei Entlassungen ein „Wartegeld“ bezahlt wird. Spätetens danach aber liegen die ehemaligen Staatsdiener der Kommune auf der Tasche, die dann die soziale Absicherung und Umschulungsmaßnahmen finanzieren muß.

Kordula Doerfler

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