: Renovieren statt Faulenzen
■ Jugendliche aus fünf Ländern machen andere Ferien / Arbeiten im Zeichen der Völkerverständigung / Sprachschwierigkeiten sind kaum ein Hindernis
Berlin. Schon auf der engen Holztreppe ist ihr Sprachenkauderwelsch zu hören. Ein paar Stufen weiter sind sie dann zu sehen. Wild gestikulierend versuchen zwei junge Frauen, sich gegenseitig in die Geheimnisse des Schubladenbaus einzuweihen. Die eine spricht deutsch, die andere spanisch. Verstehen können sie kein Wort, aber mit etwas gutem Willen klappt es doch. „Es ist natürlich keine Verständigung“, sagt Dorothea, „aber es ist lustig.“
Dorothea Hesse ist Gruppenleiterin eines Workcamps des Vereins Internationale Jugendgemeinschaftsdienste (IJGD). Acht Jugendliche aus Spanien, Frankreich, Jugoslawien, der Türkei und der BRD leben und arbeiten drei Wochen lang zusam men. In einer Kreuzberger Wohnung - dem Camp - organisieren sie sich, unterstützt von zwei Gruppenleiterinnen, selbst. Das bedeutet auch: einkaufen, kochen (möglichst Landesspezielles) und streiten darüber, wer das Bad zu putzen hat. 30 Stunden pro Woche arbeiten die zehn für ein gemeinnütziges Projekt. Sie renovieren eine Tischlerwerkstatt für den Verein „Jugend im Museum“.
Peter Haydvogel ist Tischler und Innenarchitekt. Zusammen mit Jürgen Richter beaufsichtigt er die Renovierungsarbeiten. Richter ist ein gefragter Mann in der Werkstatt: Er spricht spanisch und fungiert als Dolmetscher. Susane, eine 17jährige Spanierin, erlernt gerade den Umgang mit einem Bandschleifgerät. Sie erhofft sich im Camp „Abenteuer und so was“. Zunächst beschränkt sich das auf das Glattschleifen der selbstgefertigten Schubladen.
Javier, ein 19jähriger Biologiestudent aus Spanien, wollte billigen Urlaub machen. Die Kosten für das Camp werden größtenteils von den IJGD und dem Projektträger getragen. Die Jugendlichen zahlen nur Extras wie zum Beispiel den Besuch eines Rockkonzertes in Weißensee. Javier wollte eigentlich nicht nach Berlin. Auf die Frage, wie ihm die Stadt gefalle, antwortet er: „Bah!“ - das ist auch ohne Spanischkenntnisse deutlich zu verstehen.
Ist die Werkstatt irgendwann fertig renoviert, wird „Jugend im Museum“ wieder Kurse veranstalten. Peter Haydvogel und Jürgen Richter gehen dann mit den Kindern zum Beispiel in die Südseeabteilung des Völkerkundemuseums. Hinterher zeigt der Ethnologe Richter einen Film über das Leben in der Südsee. Und Haydvogel entwirft eine Bastelanleitung für ein Südseeboot. Maximal zu zwölft bauen die Kinder dann das Boot nach. Etwa 2.500 Kinder nehmen jährlich an den Kursen teil.
In der Werkstatt fliegen die Späne. Olivier aus Frankreich kam nach Berlin, um „aktive Ferien“ zu machen. Für den 18jährigen Informatikstudenten ist das Werkeln ein Ausgleich zu seinem theoretischen Alltag. Was gefällt ihm in Berlin? „Die Mauer“, er lacht, „nein, eigentlich ... naja, was davon noch ist.“
Isabella Echter ist die zweite Gruppenleiterin. „Oft sagen Freunde: Bist du blöde, in den Ferien ehrenamtlich zu arbeiten?“ Aber ihr macht es Spaß. Und manchmal entwickeln sich auch Freundschaften. „Letztes Jahr“, sagt sie, „konnte ich bei einer Frau in Paris Ferien machen.“ Die Französin hatte Isabella vor zwei Jahren in einem Workcamp kennengelernt.
Christel Blanke
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