Wehrmacht nein danke: KDV oder Methode Krull?

■ Drei wichtige Büchlein mit Tips für die schon bald wehrpflichtigen Westberliner / Zehntausenden von Wehrflüchtlingen droht ihre Einberufung

West-Berlin. Oase, Eldorado, Fluchtpunkt: das war das entmilitarisierte West-Berlin jahrzehntelang für diejenigen, die sich jeder Art von Kriegsdienst - ob beim Bund oder im Sozialwesen - entziehen wollten. Doch weil die Wehrpflicht bald auch zu einem Problem für Westberliner werden wird, stellt die taz drei kleine Bücher vor, die denjenigen Hilfestellung leisten, für die Militär- und Zivildienst nicht infrage kommen.

Personen, die ihren ständigen Wohnsitz in Berlin haben, sind (...) nicht wehrpflichtig. Einwohnern der Bundesrepublik, die (...) wehrpflichtig sind, welche die Bundesrepublik verlassen und sich vor dem Empfang ihres Einberufungsbescheides nach Berlin begeben haben dürfen Einberufungsbescheide in Berlin nicht zugestellt werden. So steht es im Schreiben der alliierten Kommandantur vom 8. August 1969, dem legendären Kommandantura Letter Nr. 69/29.

Dokumentiert wird der demnächst außer Kraft tretende Letter in der Broschüre „Wehrpflicht und Berlin„. Sie gibt genauestens darüber Auskunft, wer sich wann und wie lange und unter welchen Voraussetzungen zur Vermeidung des Kriegsdiensts nach West-Berlin absetzen darf. Das Standardwerk für Anwälte und Berater ist bereits in der neunten Auflage erschienen und wird nach der Änderung des militärischen Status der Stadt nochmals aktualisiert werden. Von Wehrerfassung bis Fahnenflucht sind alle relevanten rechtlichen Informationen enthalten. Auch die „Alternativen“ zum Militär, der Zivildienst, Dienst im Katastrophenschutz und die pazifistisch konsequente und strafbare Totalverweigerung (kein Wehrdienst, kein Zivildienst) kommen nicht zu kurz. Besonders nützlich ist der Anhang: eine Liste von Berliner Rechtsanwälten, die mit der Wehrproblematik vertraut sind, Adressen von Beratungsstellen und eine Zusammenstellung der wichtigsten Literatur zum Thema Verweigerung und Zivildienst. Wehrpflicht und Berlin, Denk -Stein Verlag, c/o U. Erdmann, Eichhornstr. 5-6/301, 1000 Berlin 31, fünf Mark.

„Ich will nicht zum Bund„ ist ein Kompendium aller legalen Tricks, mit denen man um Wehr- und Zivildienst herumkommen kann. Das geht über die Flucht nach Berlin, den Wohnsitz im Ausland (Vorbild Boris Becker, Monaco) bis hin zur „Methode Felix Krull“, also der medizinischen Schummelei bei der Musterungsuntersuchung. Auch enthalten: das Kapitel „Rosa Rekruten“ sowie Manipulationen per Religion, Ausbildung, Kandidatur für ein Parlament oder Härten beim Familienstand. Amüsant zu lesen - zumal der Autor Martin Herbst auch politisch nicht hinterm Berg hält: die Ewiggestrigkeit des Barras und der absurde Gewissenstest werden ausführlich gewürdigt. Ich will nicht zum Bund, Eichborn Verlag Frankfurt/M., 16 Mark 80.

„Totalverweigerung - Eine Streitschrift für die totale Kriegsdienstverweigerung„ des Berliner Politologen und Totalverweigerers Christian Herz ist eine Dokumentation und scharfe Analyse zum Thema. Anhand der Auswertung von etwa 200 Urteilen gegen Totalverweigerer wird die Kriminalisierungsstrategie des Staates dargestellt und die „Doppelbestrafung“ juristisch erklärt. Aufgezeigt wird, daß auch der Zivildienst in die Militärplanungen eingebunden ist, daß es in der BRD kein wirkliches Recht auf Kriegsdienstverweigerung gibt. Herz beschreibt aber auch die negativen Folgen beruflicher, sozialer und finanzieller Art, die Totalverweigerung für die Individuen hat. Eine Plädoyer gegen die Wehrpflicht. Totalverweigerung, Komitee für Grundrechte und Demokratie (Hrsg.), An der Gasse 1, 6121 Sensbachtal, 10 Mark.

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