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Es gibt viele Arten zu töten...

■ betr.: "Der schräge Blick auf eine ferne Welt" von Gerd Rosenkranz, taz vom 1.8.90

betr.: „Der schräge Blick auf eine ferne Welt“, von Gerd Rosenkranz, taz vom 1.8.90

Seit anderthalb Jahren versuchst Du, die RAF ideologisch zu beerdigen.

(...) Hast Du wirklich geglaubt, es reiche, die Gefangenen ein bißchen besser zu behandeln, damit Tausende von Menschen ihr Kampfverhältnis zu diesem System aufgeben? Da kann ich nur mit Ernst Jandl sagen: Werch ein Illtum!

(...) Nun liegt die politisch nachvollziehbare Begründung für den Anschlag auf Neusel und sogar ein Strategieentwurf inklusive einem Diskussionsangebot an die linksradikale Bewegung vor. Welche demagogischen Winkelzüge fallen Dir jetzt noch ein, um das Begräbnis der RAF, das Du nun schon so lange vorbereitest, nicht platzen zu sehen? Du versuchst, RAF-Gründungsmitglied Ulrike Meinhof gegen die GenossInnen von heute auszuspielen. „Millionen Tote“ und die zu erwartenden „Millionen entrechtete und unterdrückte Menschen“ in eine Reihe zu stellen, sei eine furchtbare Verhöhnung der Opfer Hitlers. (Wieso eigentlich „Hitlers“?! Der hat doch die Menschen nicht persönlich umgebracht! Warum machst Du die Kräfte, die ein ökonomisches Interesse an der Vernichtungspolitik der Nazis hatten, mit dieser Formulierung unsichtbar?)

Ausgerechnet für diese furchtbare Verharmlosung der Opfer heutiger imperialistischer Großmachtpolitik, die wir in ihren Wirkungen überall in der Welt sehen, berufst Du Dich auf Ulrike. Sie kann sich nicht wehren, sie ist tot. Aber sie hat uns hinterlassen, was sie dazu denkt:

„Es gibt viele Arten, zu töten, man kann einem ein Messer in den Bauch stechen

einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen,

einen in eine schlechte Wohnung stecken,

einen zum Selbstmord treiben,

durch Arbeit zu Tode schinden, einen in den Krieg führen, und so weiter

Nur weniges davon ist in diesem Staat verboten.“

Imma Harms, Berlin-West

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