: Limousinen gegen West-Elektronik
■ Stasi-Firma Interport in Prenzlauer Berg durchsucht / Geschäftsführer war Oberstleutnant des MfS / Kreislauf von Korruption und Begünstigung? / Auch die offiziellen Geschäfte waren schmutzig / Oldtimer hauptsächlich im Bundesgebiet abgesetzt
Prenzlauer Berg. Oldtimer-Liebhabern aus der BRD war der Name ein Begriff. Bei der Firma Interport, die den harmlosen Zusatz „Industrievertretungen“ führte und ihr Büro in der Straßburger Straße in Prenzlauer Berg hatte, waren gegen harte Devisen jahrelang überaus seltene Limousinen aus den dreißiger Jahren, Lkws, Busse, alte Motorräder und Ackerschlepper, aber auch museale Drehbänke zu bekommen.
Nach deren Herkunft fragten die FreundInnen alter Maschinen lieber nicht. Doch wie die neuerliche Durchsuchung der Geschäftsräume endlich bestätigt hat, ist die Interport eine Stasi-Tarnfirma zur Beschaffung von West-Elektronik gewesen, deren Export in die DDR durch die Cocom-Bestimmungen verboten war. Nach Angaben von Innenstadtrat Krüger und Interport-Beschäftigten war Geschäftsführer Gottfried Gietl, derzeit in Urlaub auf Rügen, Oberstleutnant der Stasi. Immerhin bis zum Hauptmann hat es der Interport-Taxator Bratsch gebracht. Der wurde unter Freunden wegen seines klaren Blicks für den Wert der Fahrzeuge „der Kommissar“ genannt.
Das Ergebnis der Durchsuchung dürfte für Unruhe bei einigen Beamten des früheren Zollfahndungsdienstes der DDR sorgen. Denn sie waren mit der Interport schon im Dezember letzten Jahren befaßt gewesen. Damals war die Interport bereits durchsucht worden, nachdem schon die offiziellen Geschäfte das eigentlich verbotene Verscherbeln historischer Fahrzeuge in den Westen - zu einem Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft in Meißen geführt hatte. Doch die Untersuchung war damals ergebnislos beendet worden - mit der jetzt belegten Stasi-Connection wird auch der Grund verständlich.
Endgültig aufgeflogen ist die Firma aber erst nach Hinweisen aus der Bevölkerung, daß von dort in den letzten Tagen erneut Akten abtransportiert wurden. Gefunden wurden schließlich, so Krüger, Plastiksäcke mit „vorvernichtetem Aktenmaterial“, außerdem eine Sauna mit Wasserbecken und Solarium und westliches Bürogerät. Die nur fünf Beschäftigten hatten es sich aber auch außerhalb des schmalen Grundstücks, das nicht einmal im Grundbuch eingetragen ist, gutgehen lassen - zum Interport -Fahrzeugpark gehörten unter anderem zwei VW Golf, ein VW Passat, für den Chef einen Daimler und mindestens ein Volvo.
Zu diesem Zeitpunkt trug die Interport allerdings schon längst nicht mehr ihren berühmt-berüchtigten Namen. Im Februar, rekonstruierte die Gruppe aus dem Magistrat, hatte mit Einverständnis des Auflösungskomitees ein Rechtsträgerwechsel stattgefunden; aus der Interport wurde Robotron und schließlich die Computer Vertriebsunion (CVU). Robotron wiederum war der Hauptkunde für die aus dem Westen beschaffte Elektronik.
„Es hat sich hier also ein geschlossener Kreis ergeben, dessen einziges Ziel es war, sich durch die Sicherstellung des Vermögens des alten MfS-Betriebes persönlich zu sanieren“, kommentierte Krüger. Welchen Kaufpreis Robotron nämlich für Interport auf den Tisch legte, ist derzeit ebenso unbekannt wie der Standort des Tisches selbst. Grundstück, Haus und Einrichtung bilden einen Wert von mehreren Millionen DM. Andererseits liegen auf CVU-Konten aus der Interport-Zeit noch satte 3,5 Millionen DM, deren Umstellung auf DM der Chef selbst vorgenommen hatte schließlich ist er auch alleiniger Zeichnungsberechtigter. Krüger jedenfalls vermutet „persönliche Bereicherung“.
Und die „legalen“ Geschäfte der Interport? Das Verfahren war sehr einfach: Aufkäufer zahlten den Schätzwert an den vormaligen Besitzer in DDR-Mark und kassierten den gleichen Betrag im Westen - in DM. Allein ein westfälischer Spediteur hat Hunderte von Wagen aus der DDR abtransportiert. Auch seien „jeweils fünfstellige Summen für einen Ostberliner Staatsbetrieb fällig gewesen“, erinnert sich ein mit dem Handel Befaßter - „schwarz und ohne Belege“. Die letzte Lieferung - neun Mercedes, ein Opel Kapitän, ein Fiat 1500 und ein „Wanderer“, allesamt aus den zwanziger und dreißiger Jahren - wurde allerdings durch aufmerksame Beobachter im letzten November gestoppt. Das anschließende Ermittlungsverfahren wurde schließlich eingestellt.
Dietmar Bartz
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