Endspiele

■ De Maiziere gibt auf

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In Becketts Endspiel sitzen Nagg, Nall, Hamm und Clow in einer Müllhalde und führen Endlos-Monologe gegeneinander. In diesem existentialistischen Stadium - so der äußere Eindruck - ist die Ostberliner Regierung angekommen. Die Koalitionspartner nutzen nur noch die Analysen und Prognosen der DDR-Misere, um sich selbst zu bestätigen. Es ist nicht ohne sinistre Symbolik, daß das Ende der DDR-Regierung mit einem veritablen Verfassungsbruch eingeleitet wird. De Maziere hat sich entweder nicht die Mühe gemacht, in der Verfassung nachzulesen, oder er fand die Verfassung nicht mehr der Mühe wert, als er seine Minister entließ. Seine Aktion beendet nicht nur die große Koalition, es ist das Ende der DDR-Regierung. Die große Koalition hatte ihre politische Legitimation, weil sie den größtmöglichen Konsens zur Interessenwahrung der DDR bei der Vereinigung darstellte. Nicht nur das ökonomische Desaster übersteigt Kompetenz und politische Kraft dieser Regierungsmannschaft; die Interessengegensätze, die die DDR-Misere in der Bundesrepublik hervortreibt, sind durch keinerlei Konsensanstrengungen der Volkskammerparteien noch einzuholen. Ganz gleich, wie jetzt noch das Regieren fingiert wird - übriggeblieben sind eine Konkursverwaltung und die Verteilung der Vorwürfe für den Wahlkampf.

Mit der Entlassungsaktion hat de Maziere versucht, die ökonomischen Probleme zu personalisieren. Ob dieser Wahlkampfauftakt erfolgreich ist, kann bezweifelt werden. Denn de Maziere hat damit einen Schritt gemacht, den Lafontaine schon lange fordert: Klarstellung der politischen Verantwortlichkeit. Ab sofort ist de Maziere Statthalter Kohls. Ohne den Konsens einer großen Koalition hat de Maziere nur das politische Renommee eines DDR-Sprechers der Bonner Regierung. Und der Verweis auf das Versagen der abgehalfterten Minister wird der Dynamik des ökonomischen Komas nicht standhalten. Die DDR-Regierung wird in einem Augenblick zerschlagen, in dem mit dem Thema Länderfinanzausgleich die härteste Verhandlungsphase begonnen hat. Aber ab sofort heißt es nicht mehr, nach uns die Sintflut, sondern nach der Sintflut, wir!

Klaus Hartung