piwik no script img

„Frau Schreyer hat richtig entschieden“

■ Niedersachsens Umweltministerin Griefahn unterstützt Berliner AL-Senatorin im Koalitionsstreit um Hahn-Meitner-Reaktor / „Die Betreiber können keine gesicherte Entsorgung nachweisen“

taz: Umweltsenatorin Schreyer hat ihre Position im Streit um den HMI-Reaktor auch damit begründet, die neue niedersächsische Landesregierung habe dem Endlager Gorleben eine Absage erteilt und auch den Schacht Konrad infrage gestellt. Wie sehen Sie den Berliner Konflikt?

Monika Griefahn: Ich denke, daß die Betreiber keine gesicherte Entsorgung für den HMI-Reaktor nachweisen können, weil die Situation überall ungeklärt ist. Diese unklare Situation haben wir bei den Endlagern in Niedersachsen. Das gilt aber auch für die Wiederaufarbeitungsanlagen im Ausland. Frau Schreyer hat diese Situation richtig beurteilt und hat auch vollkommen richtig entschieden.

Die Berliner SPD war auf dem Weg zurück zur alten Atompartei. Warum hat die SPD-Parteilinke nicht reagiert? Warum hat die Umweltministerin Griefahn nicht der Senatorin den Rücken gestärkt?

Erstmal handelt es sich um eine Auseinandersetzung in einem anderen Bundesland. Es ist nicht besonders klug, sich in einen internen Koalitionsstreit von außen einzumischen und den Berlinern zu sagen, was sie zu tun und zu lassen haben. Wir gehen hier in Niedersachsen anders miteinander um und sehen deshalb erst recht keinen Grund, uns ständig woanders einzumischen.

Aber viele in der SPD beurteilen doch die Entsorgungsmisere ganz ähnlich wie Frau Schreyer, und es geht hier ja um ein grundsätzliches Problem. Für uns entstand der Eindruck, hier drücken sich manche Damen und Herren und lassen die Grünen oder die AL die heißen Kartoffeln allein aus dem Feuer holen.

Das sehe ich nicht so. Die Berliner Umweltsenatorin hat aus einer konkreten Situation heraus entschieden. In Niedersachsen liegen die Dinge ganz anders. Hier ist sehr genau zu prüfen, wie die einzelnen Atomanlagen zu beurteilen sind und in wieweit der Ausstieg zu bewerkstelligen ist.

Aber der von Frau Schreyer thematisierte Entsorgungsnotstand gilt doch für alle Atomkraftwerke?

Politisch entscheidend für die künftige Entsorgungsdebatte ist jetzt die Arbeit des im letzten Jahr gebildeten Staatssekretär-Ausschusses. Dort wurde ein Vorstoß für die direkte Endlagerung und die Abkehr von der Wiederaufarbeitung gemacht. Das ist aber noch nicht entschieden. Niedersachsen hat hier eine klare Position. Wir lehnen die Wiederaufarbeitung im Ausland grundsätzlich ab und verlangen auch die Rücknahme der Verträge von der Bundesregierung. Wir bestehen auf einer Festschreibung der Entsorgung ohne Wiederaufarbeitung und wir sagen, daß wir uns an der Suche nach geeigneten Endlagern beteiligen - die der Bund durchführen muß - wenn der Ausstieg vorbereitet wird.

Was heißt das für die niedersächsischen Atommeiler, wenn Sie die Aufarbeitung im Ausland nicht als Entsorgung akzeptieren?

Wir müssen zunächst mal abwarten, was in dem Staatssekretär -Ausschuß herauskommt. Wir werden in Niedersachsen für jedes einzelne Atomkraftwerk die Situation prüfen, aber soweit sind wir noch nicht.

Sie kennen die Diskussion im Staatssekretär-Ausschuß. Was wird da am Ende herauskommen?

Es sind überraschend viele Bundesländer für die direkte Endlagerung. Wir hoffen, daß diese Position sich insgesamt durchsetzt. Man kommt natürlich sehr schnell zu der Gretchenfrage: wie kriegen wir den Ausstieg hin und wann? Diese Diskussion wird aber unter anderem vom Ausgang der Bundestagswahlen abhängen und davon, ob es gelingt, eine politische Mehrheit für ein Kernenergie-Abwicklungsgesetz hinzukriegen. Deshalb kann ich noch keine Prognose geben.

Hätte das Scheitern von Rot-Grün in Berlin diese Polit-Ehe grundsätzlich zum Auslaufmodell gemacht?

Wir nehmen natürlich Anteil am Schicksal der Berliner Koalition. Aber ich sehe keine direkten Auswirkungen für uns, zumal wir wie gesagt einen anderen Umgang pflegen und darüberhinaus sehr viel mehr Details und Abwicklungsfragen in unserer Koalitionsvereinbarung festgelegt haben.

Interview: Manfred Kriener

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen