Bundeswehreinsatz weiter umstritten

■ Heute beraten Kohl, Genscher und Stoltenberg, morgen die Außen- und Verteidigungsminister der WEU über Streitkräfte am Golf / Kippt die FDP um? / Lafontaine will Entscheidung verschieben

Berlin (afp/dpa/taz) - Zur Beratung über die Lage im Persischen Golf treffen die Außen- und Verteidigungsminister der Westeuropäischen Union (WEU) morgen in Paris zusammen. Dabei geht es um eine eventuelle Koordination der Seestreitkräfte der neun WEU-Staaten in der Region und damit auch um die mögliche Beteiligung der Bundesmarine an solchen Aktionen. Die Bundesregierung ist nach den Worten von Bundeskanzler Helmut Kohl bereit, „im Rahmen ihrer rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten“ an von der WEU koordinierten Maßnahmen im Golf teilzunehmen.

Kohl trifft heute zur Erörterung der Frage mit Bundesverteidigungsminister Gerhard Stoltenberg und Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher zusammen, die Bonn bei der Pariser Sondersitzung vertreten werden. Genscher befürwortet eine Verfassungsänderung, durch welche die Bundesrepublik an UNO-Friedensoperationen teilnehmen könnte, lehnt einen Einsatz der Bundesstreitkräfte außerhalb des Nato-Gebiets aber ab. Ebenfalls heute findet in Bonn eine gemeinsame Sitzung des Auswärtigen und des Verteidigungsausschusses des Bundestags statt. Eine Entscheidung soll in Bonn nicht mehr vor der WEU-Sitzung getroffen werden.

Währenddessen scheint die FDP, Mitte letzter Woche noch auf scharfem Ablehnungskurs gegen einen Bundeswehreinsatz am Golf, umzukippen. So plädierte FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff für eine Grundgesetzänderung, durch die die Teilnahme der Bundeswehr bei Einsätzen der Vereinten Nationen möglich wird. FDP-Verteidigungsexperte Olaf Feldmann, vor wenigen Tagen noch strikt gegen einen Bundeswehr-Einsatz „out of area“, lenkte jetzt ein.

CSU-Generalsekretär Erwin Huber verlangte, die Bundesregierung dürfe sich einem „Friedenseinsatz im Golf“ nicht länger verweigern. Bei den nächsten Koalitionsvereinbarungen wolle die CSU auf der Übernahme „mehr weltpolitischer Verantwortung“ bestehen. Gleichzeitig meldete Huber auch Ansprüche der CSU auf den Außenministerposten nach der Wahl an.

SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine sieht „keinen schnellen Regelungsbedarf“. Obwohl er sich mittelfristig einen Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der UNO vorstellen könne, sollten diese Fragen erst behandelt werden, wenn die deutsche Einheit erledigt und auch die Souveränitätsvorbehalte entfallen seien.

Die Bundesregierung macht mittlerweile Druck. Kanzleramtschef Rudolf Seiters (CDU) warnte zwar vor einem Parteienstreit in dieser Frage, betonte aber, es gehe „hier um den Beitrag unserers Landes zur international abgestimmten Friedenssicherung“. Einer direkten Antwort auf die Frage, ob er einen Einsatz der Bundeswehr am Golf für denkbar halte, wich Seiters aus.

ak