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Lieblos lodernd

■ „Giovannis Zimmer“ nach James Baldwin im TAK

A well made play“, sagt man in Amerika. Auf deutsch heißt das soviel wie: Es bleibt einem kein Klischee erspart. Die schreckliche Maske des Klischees erhebt sich erst dann zur Fratze des Grauens, wenn sie so richtig mit Gefühl getragen wird. Das eben geschieht in Giovannis Zimmer, einem Stück nach dem gleichnamigen Roman von James Baldwin. Die Inszenierung von Rainer Huff zeigte im Souterrain des TAK falsche Feelings lebensecht.

Jede wahre Liebe ist bedingt durch ihre Unmöglichkeit, und die Aufführung legt uns nahe, daß sie nur unter Männern wirklich unmöglich ist. Hier wird sie nicht, wie im bürgerlichen Trauerspiel, zum faden Bratkartoffelverhältnis verkocht, sondern in Form eines menu tragique kredenzt: Giovannis Liebe zu Dave beginnt in einer höllischen Spelunke in Paris und endet unter dem Fallbeil. Giovanni wird zum Mörder - aber auch zum Heiligen. Der Mord an seinem Chef Guillaume, begangen nach erzwungener Fellatio (gut geschmatzt: Falk Walter), ist die heilige Rache an „dem Lieblosen“ im großen und ganzen, denn „wer den Lieblosen oder eine liebeleere Gesellschaft - haßt und straft, ist Gottes Werkzeug auf Erden“ (so liest man tatsächlich im Programmheft!). Einer von der üblen Bande der „Lieblosen“ ist eben Dave. Er lächelt sich durchs Leben wie der Darsteller (David Wilms) durch seine Rolle. Ein Amerikaner in Paris, auf Freiersfüßen, wie man gleich zu Anfang erfahren kann.

Doch leider hat seine hübsche Braut (wirklich hübsch und darin überzeugend: Cay Helmich) erst einmal andere Pläne: Spanien, Reisen, Malen etc. Ja, so sind die Frauen! Die Abfuhr, die sie ihm verpaßt, befördert ihn ganz unmittelbar in Giovannis Arme. Der scheint nur gewartet zu haben: Giovanni schleppt David in sein Zimmer ab, „schamlos“, wie er selbst sagt, denn dort ist es „ganz schmutzig“. Fortan will er alles mit ihm teilen, auch fünf Quadratmeter Paris, in einem miesen Viertel obendrein: wie romantisch! Auch das übermütige Liebesspiel der beiden: roter Spot auf Männerkörper hinter weichzeichnender Gaze, dazu Klavierbegleitung. Und danach boys live: „Wer zuerst angezogen ist, hat gewonnen!“ So ausgelassen geht es zu in Giovannis Zimmer. Daß es sich dabei um etwas „Reines“ handelt und nicht etwa um „Schmutz“, zeigt sich darin, daß Giovannis Liebesbeweise kein Ende nehmen wollen: Rosen, Rosen und nochmals Rosen für den einen - bis er ihn beim Lesen eines Briefes ertappt. In diesem teilt die Verlobte kurz und knapp mit, wann sie vom Flughafen abgeholt werden möchte. Mit dem Malen wollte es nicht klappen, jetzt will sie Kinder. Natürlich packt Dave sofort die Koffer (er ist ja einer von der üblen Bande ...) und läßt Giovanni sitzen. Das ist der Fahrstuhl zum Schafott für seinen Freund. Giovannis Zimmer wird zur Todeszelle, in der Dave dann den Schlußmonolog hält. Jetzt hat er's endlich kapiert: Giovanni und er, das war wirkliche Liebe! Fazit: Bekehrung ist möglich, die „liebeleere Gesellschaft“ nicht verloren und Giovanni ein Märtyrer.

Was das nun alles mit der „radikalsten schwarzen Bewegung“ zu tun haben soll, der sich Baldwin als „Verkünder des Liebesgebotes“ (Programmheft) verbunden fühlt, bleibt an diesem Abend leider im dunkeln. Statt dessen verschleiert man die Bühne und rückt Giovannis Zimmer somit in die Ferne. Die Realität des „siebten Himmels“ und die der Straßenschlachten sind eben doch sehr verschieden. Das, „was die Liebe zu sagen hätte“ und wovon der Autor offensichtlich reden will, vom Funken der Revolution nämlich, bringen uns die liebesbesoffenen Schauspieler auch nicht dadurch näher, daß sie vereinzelt Szenen mitten im Publikum spielen. Die heiße Geschichte der Liebe, der einzigen, wahren, menschenerlösenden, will nicht brennen!

-sim

Giovannis Zimmer, TAK im Souterrain, Möckernstraße 66, Berlin 61. Mi., Fr., Sa. und So. jeweils um 21 Uhr. Telefon: 7851165.

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