piwik no script img

Der Zauberberg als Trivialfilm

■ „Die andere Liebe“ nach einer Geschichte von E.M. Remarque, um 20.00 Uhr, West 3

Der Roman Im Westen nichts Neues machte seinen Autor Erich Maria Remarque weltberühmt und bescherte ihm zeit seines Lebens ein vom materiellen Standpunkt sorgenfreies Dasein. Schon ein Jahr nach Erscheinen verfilmte der Regisseur Lewis Milestone den Anti-Kriegsroman für die Universal Studios des deutschstämmigen Produzenten Carl Laemmle in Hollywood. Auch der Film wurde ein finanzieller Erfolg und ist bis heute beispielhaft in seiner realistischen Darstellung des Kriegsgeschehens. Bezeichnenderweise versuchten die Nazis schon vor ihrer Machtübernahme, die Aufführung des Films in Deutschland verbieten zu lassen.

Auch die folgenden Romane aus der Feder des Autors, der kurz vor der Machtübernahme des NS-Regimes zunächst in die Schweiz und dann in die USA emigrierte, wurden von Hollywood verfilmt, so Der Weg zurück, gegen dessen Adaption der deutsche Konsul in Los Angeles heftig protestierte. Drei Kameraden und Liebe Deinen Nächsten (So Ends Our Night) folgten.

Die US-Kritiker nahmen die in Deutschland lange nicht erkannte Qualität der Remarque-Romane als Maßstab für die Filme. Nicht alle konnten dieser Vorgabe in so hohem Maße gerecht werden wie Im Westen nichts Neues. Häufig wurden politische Implikationen und Zeitbezüge unterdrückt oder gänzlich ausgemerzt, die melodramatischen Momente dagegen hervorgehoben.

An der Kinokassen indes scheinen Remarque-Verfilmungen regelmäßig erfolgreich gewesen zu sein, denn die Filmgesellschaften rissen sich förmlich um seine Stoffe. United Artists kaufte unbesehen sechs Kurzgeschichten, die Remarque Anfang der dreißiger Jahre zu Papier gebracht hatte. Die Enterprise Studios erwarben die Rechte an Arc de Triomphe für eine ungewöhnlich hohe Summe, noch ehe das Buch überhaupt gedruckt war.

Eine weitere Kurzgeschichte mit dem Titel Beyond, die nicht zur Veröffentlichung vorgesehen, sondern von vornherein als Film-Expose konzipiert war, diente als Vorlage für den Film Die andere Liebe (The Other Love) aus dem Jahre 1947. Wieder einmal variierte Remarque hier das durchgängige Thema einer Liebesbeziehung, die aufgrund einer tödlichen Erkrankung unerfüllt bleiben muß. Schon in seinen Berliner Jahren hatte der Autor dieses Motiv in einem Illustriertenroman verwandt: In Drei Kameraden nahm er es wieder auf, und auch in Arc de Triomphe gibt es Parallelen. Später verarbeitete Remarque das erwähnte Expose zu dem Roman Der Himmel kennt keine Günstlinge, der wiederum unter dem Titel Bobby Deerfield von Sydney Pollak verfilmt wurde.

Die andere Liebe, diese triviale Zauberberg-Version spielt in einem Schweizer Sanatorium, in dem sich eine erkrankte Konzertpianistin in ihren Arzt verliebt, ein typisches „woman's picture“ (L.Halliwell) also, die Hauptrollen spielen Barbara Stanwyck (die phasenweise auf derart melodramatische Rollen abonniert war), David Niven und Richard Conte. Regie führte Andre de Toth.

Harald Keller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen