: Privatfunk fühlt sich „diskriminiert“
■ Private Rundfunkanbieter über Einigungsvertrag enttäuscht / Vorerst keine Zulassung vorgesehen / Hoffnung auf Länder-Mediengesetzgebung / SAT.1 auf Promotiontour
Berlin (dpa/adn/taz) - Als einen „Skandal“ haben die privaten Hörfunk- und Fernsehanbieter die Aussagen im Einigungsvertrag die Medienpolitik bezeichnet. Der Vorstandvorsitzende des Bundesverbandes Kabel und Satellit (BKS), Jürgen Doetz, sagte am Freitag vor Journalisten in West-Berlin, er wolle noch am gleichen Tag bei beiden Regierungen dazu intervenieren.
Interpretiere man Artikel 28a des Vertrages, so werde bis Ende 1991 neben einem öffentlich-rechtlich strukturierten „Ostdeutschen Rundfunk“ jede weitere Entwicklung verbaut, erklärte Doetz, der zugleich auch Geschäftsführer von SAT.1 ist. Faktisch bedeute dies, ein Monopol in Gestalt von Deutschem Fernsehfunk und Rundfunk der DDR durch ein neues abzulösen.
Dies laufe in jedem Fall auf eine Diskriminierung der privaten Rundfunkanbieter hinaus. Man könne jetzt nur darauf hoffen, daß die Mediengesetzgebung der neuentstehenden Länder andere Aussagen treffen.
Die Privatfunker wollen Bundeskanzler Kohl und Ministerpräsident de Maiziere einen Ergänzungsvorschlag zum Einigungsvertrag unterbreiten, wonach den zukünftigen DDR -Bundesländern vorgeschrieben werden soll, „nicht genutzte Frequenzen ausschließlich privaten Veranstaltern“ zuzuweisen.
Außerdem wünscht sich der BKS, daß die militärisch genutzten Hörfunk- und Fernsehfrequenzen, die in beiden Teilen Deutschlands jetzt frei werden, ausschließlich den Privaten zugeteilt werden. Auch einen Rundfunkstaatsvertragsentwurf will der Interessenverband der Privatanbieter bis Oktober ausarbeiten.
Vor dem Roten Rathaus in Ost-Berlin ließ SAT.1 am Freitag schon mal einen riesigen Heißluftballon steigen, der diesen Forderungen symbolischen Nachdruck verleihen sollte. Mit einer Werbekampagne unter dem Motto „Jetzt kommt SAT.1“ tourt der Mainzer Privatsender in den kommenden Wochen durch 21 Orte in der DDR, um den Brüdern und Schwestern zu zeigen, was ihnen bislang TV-mäßig entgeht: Unterhaltung am laufenden Band.
Stationen der Werbereise, die in einem 18 Meter langen Truck als mobiler Bühne von einer 70köpfigen Crew unternommen wird, sind unter anderen Leipzig, Dresden und Chemnitz. Nach eigenen Angaben wird der Sender schon von 40 Prozent der DDR-Fernsehhaushalte empfangen und rangiert damit hinter ARD und ZDF an dritter Stelle.
Einen ersten Vorstoß unternahm der Privatsender vor wenigen Tagen mit der Gründung der „SAT.1 Sachsen GmbH“, die als erstes privates Fernsehunternehmen beim Dresdener Registergericht angemeldet wurde. Eine weitere Tochter in Thüringen werde in Kürze gegründet, kündigte Jürgen Doetz an.
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