: Wenn LehrerInnen die Schulbank drücken
■ Schulanfangstagung in der Bremer Uni: Spielendes Lernen für den Unterricht in der Grund- und Sonderschule
Zwischen gutbestückten Info-Ständen und Essensausgabe tummelte sich gestern im GW 2-Gebäude der Bremer Uni ein ganz besonderes Volk. Ca. 400 Grund-und SonderschullehrerInnen wollten selber etwas lernen und hatten sich zu einer dreitägigen
'Schulanfangstagung‘ eingefunden.
Z.B. im Kurs von Rudolf Prahm. In der Gruppe des ehemaligen Lehrers und Mitarbeiters des WIS trafen völlig fremde Leute aufeinander. Mit und an ihnen demonstrierte Prahm, wie be
stimmte Spiele die Situation verändern. Zum Beispiel: Tapetenstücke, von denen jeweils zwei gleiche existieren, werden verteilt.
Gesucht wird das jeweils passende Gegenstück zum eigenen mit dem dazugehörigen Men
schen. Und siehe da: nach wenigen Minuten redete jede mit jedem, Stücke wurden verglichen, Muster gelegt. Gar nicht erstaunt ob des Effektes der Erfinder selbst: „Stellen sie sich doch mal eine türkische Mutter und einen Rechtsanwalt auf einem Elternabend vor. Wenn die so etwas gleich zusammen spielen, kommen die sich viel besser näher“.
Eine andere Veranstaltung: Von gespanntem Konferenzklima keine Spur, sondern - für mich als Schulabgängerin besonders erstaundlich - LehrerInnen, die sich zuhören und nicht an die Wand reden. Thema war die Festlegung geschlechtsspezifischer Rollen in der Erziehung. „Wir werden nicht als Mädchen geboren - wir werden dazu gemacht.“ Die gemeinschaftliche Durchforstung gängiger Kinder- und Schulbücher zeigt, daß schon hier die immer gleiche Aussage in bunter Verpackung angeboten wird: die Jungen aktiv, der Vater arbeitend, lesend, die Mädchen passiv, die Mutter kochend, putzend.
Daß sich diese Klischees auch im Verhalten der Kinder im Unterricht zeigen, bestätigten alle. „Jungen dominieren mehr, Mädchen sind zurückhaltender und
treten nicht gewohnheitsmäßig in den Vordergrund.“ Die LehrerInnen wolltenjedoch auch Strategien entwickeln, mit denen man diese Verhaltens-Klischees durchbrechen kann.
„Hinter allem steht der Gedanke, daß an den Schulen sehr viel Neues probiert und entwickelt worden ist und wir in diesem Rahmen einen Erfahrungsaustausch installieren wollen,“ erklärt Herr Lückert, Mitglied des Referates Grundschule und Mitorganisator des Ganzen, „besonders für Kolleginnen, die neu angefangen haben, bietet sich hier eine gute Gelegenheit mit anderen Kollegen in Kontakt zu treten, um mal zu gucken, was die so machen. Auf diese Weise wollen wir zeigen, was man heute ausprobieren kann.“
Das war offensichtlich im Sinne der Teilnehmer. Die Atmosphäre ist locker, die Pädagogen stehen in losen Gruppen zusammen, viele sitzen auf dem Vorhof in der Sonne. Hier spaltet sich die
Institution Lehrkörper in einzelne Menschen, die gekommen sind, um etwas dazu zu lernen.
Anissa Müller
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