: Rechtswidrige Lehrvertragskündigung in Erfurt
■ Erfurter Amt für Arbeit entwickelt Vollzeitschulformen für SchulabgängerInnen ohne Lehrstelle / In den letzten Wochen haben Betriebe der thüringischen Stadt 360 Lehrverträge rechtswidrig gekündigt
VOLLZEITSCHULFORMEN
Erfurt (lth/taz) - 360 Lehrverträge wurden in den letzten Wochen rechtswidrig von Betrieben der Stadt Erfurt gekündigt. Die Tendenz sei steigend, informierte am Dienstag die amtierende Amtsleiterin für Berufsbildung, Karin Landherr, die Presse. Als Gründe würden Betriebsteilungen und -auflösungen sowie neue Ausbildungsanforderungen genannt.
Sie habe aber auch den Eindruck gewonnen, daß Betriebe kein Interesse mehr an der Lehrlingsausbildung haben.
Betroffen seien unter anderem 220 Schulabgänger der Klassen 7 bis 9, zunehmend aber auch Richtungen der Berufsausbildung mit Abitur. So erhielten sogar Jugendliche, die in wenigen Tagen ihr 2.Ausbildungsjahr im Bereich Handel/Gastronomie beginnen wollten, den „blauen Brief“.
Zusammen mit dem Amt für Arbeit und anderen Einrichtungen wurden mehrere Vollzeitschulformen aufgebaut, um all diesen Schülern vorbereitende Ausbildungsmöglichkeiten anzubieten. Für Abgänger, die nicht die 9. Klasse absolviert haben, gibt es das Berufsvorbereitungsjahr, das neben der Allgemeinbildung theoretisches und praktisches Grundwissen in zwei Berufsfeldern vermittelt.
Damit, so hofft die Amtsleiterin, bekommen diese Mädchen und Jungen gute Bewerbungschanchen für das nächste Jahr, wenn die Neun-Klassen-Pflicht der BRD auch hier gilt. Zur Auswahl stehen Metall-, Elektro- und Bautechnik, Ernährungs und Hauswirtschaft, Agrarwirtschaft sowie Bekleidungsindustrie.
Für Abgänger der 9. und 10. Klasse gibt es das Berufsgrundbildungsjahr, das solides Wissen in einem Beruf (Wirtschaft/Verwaltung, Bekleidung, Metalltechnik) vermittelt. Es hat eine solche Qualität, daß es bei Aufnahme einer Lehre als erstes Berufsausbildungsjahr anerkannt wird.
Ein weiterer Schwerpunkt sind die Abgänger von Hilfsschulen, für die Förderlehrgänge in Vorbereitung sind. Karin Landherr konnte berichten, daß die Handwerkskammer die Berufshilfsschule übernehmen und zu einem Ausbildungszentrum ausbauen will.
Ein Modellversuch ist das berufliche Gymnasium, das den Jugendlichen neue Perspektiven eröffnen soll, die eine Berufsausbildung mit Abitur geplant hatten.
Auf der Grundlage von Lehrplänen des Landes Hessen werden sie ein vollwertiges Abitur sowie das Grundwissen in einem speziellen Berufsfeld (Bau, Handel und Gastronomie) erwerben können. Hier können sich noch Schulabgänger mit sehr guten Leistungen bewerben. Betroffene Jugendliche, so die Amtsleiterin, werden bereits im Arbeitsamt oder in persönlichen Kontakten mit den Varianten bekanntgemacht.
Zur Zeit erfreut sich bei Mädchen das Gebiet Ernährungs und Hauswirtschaft großer Nachfrage. Weitere Informationen geben das Amt für Berufsausbildung, Anger 54, Tel. 2-42 -27 sowie das Arbeitsamt, Bereich Berufsberatung, Weidengasse 8, Tel. 2-33-01. Aber auch die Erfurter Berufsschulen sind Ansprechpartner.
Von ausschlaggebender Bedeutung für eine Steigerung der Ausbildungsplätze in der DDR ist eine Verbesserung der Auftragssituation vor allem im mittelständischen Bereich. Zur Verbesserung der Infrastruktur in der DDR gibt es jede Menge zu tun, insbesondere in den Bereichen Kommunikation, Bahn, Post, Straßenbau, Stadtsanierung und Umweltschutz. Vor allem an die mittelständischen Unternehmen, an die Handwerksbetriebe sollten Aufträge gehen, weil hier schneller als in anderen Wirtschaftsbereichen wirtschaftliche Aktivitäten angelegt und neue Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen werden könnten.
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