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DDR-Krise ruiniert französische Bauern

Paris (dpa) - Der Zusammenbruch der DDR-Landwirtschaft droht auch viele französische Bauern in den Bankrott zu stürzen. Der Grund: Genossenschaften verkaufen ihr Vieh und Fleisch zu Schleuderpreisen an bundesdeutsche Händler, die ihre Billigware umgehend mit hohen Gewinnen nach Frankreich weiterverkaufen. Dort fallen die Fleischpreise deshalb schneller als die Aktienkurse.

Die Viehzüchter, nach zwei Dürrejahren in Folge sowieso schon mit knappen Futtermitteln und exorbitanten Wasserkosten belastet, geraten in eine tödliche Preis-Kosten -Schere. Doch die Einfuhren aus der DDR waren nur der letzte Auslöser für die „Bauernguerilla“. Schon seit Monaten wächst der Unmut an der Basis über mangelnde Entschädigungen für Dürreschäden, schlechte Verkaufspreise und die Konkurrenz aus dem Ausland.

Den Bauernverband FNSEA ficht es dabei nicht an, daß die französische Agrarwirtschaft als größter Exporteur des Landes erheblich von den offenen Grenzen in der Europäischen Gemeinschaft profitiert. Im Gegenteil: Der Groll auf die „Eurokraten“ und die eigene Regierung wächst beständig. Ultimativ forderten die Bauern die Regierung auf, bis Ende August fünf Milliarden Franc (1,5 Mrd. DM) bereitzustellen. Die von Paris angebotenen Soforthilfen - billige Futtermittel, Aussetzung der Sozialabzüge und Zahlung von Dürreentschädigungen - wurden als unzureichend verlacht.

Die Zeitung 'Liberation‘ machte an der Basis bereits eine „Europafeindliche Empfindlichkeit, Ausländerhaß und die Versuchung, sich auf sich selbst zurückzuziehen“ aus.

Die zersplitterten und zerstrittenen Bauernvereinigungen überboten sich bald gegenseitig mit immer radikaleren Forderungen, um die „Heißsporne“ besonders von der Katholischen Agrarjugend JAC bei der Stange zu halten. Dabei lösten die immer brutaleren Kampfaktionen der „Bauernkommandos“ auch heftige Kritik in den Vorstandsetagen aus. So am 30. Juli, als in Westfrankreich 94 aus England importierte Schafe vergiftet wurden. Oder am 22. August, als Züchter bei Thouars einen deutschen Tiertransporter anzündeten und 219 Schafe verbrannten.

Beifall finden dagegen Aktionen wie in Limoges, wo 300 Schafe aus den Niederlanden mit dem Gift Lindan begossen und durch die Stadt getrieben wurden. Und die Überfälle auf Schlachtereien, bei denen gleich tonnenweise Importfleisch mit Diesel übergossen oder sogar verbrannt wurden, gelten kaum noch als spektakulär.

Mit ihrem Protesttag am Mittwoch haben die französischen Züchter auch die politischen Parteien auf den Plan gerufen. Von den Neogaullisten bis zu den Sozialisten werden jetzt Wege debattiert, um den Landwirten zu helfen. Erst mit den gewalttätigen Aktionen ist es damit den französischen Bauern gelungen, mit ihren Überlebensproblemen in Paris Gehör zu finden.

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