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David Hasselhoff in Deutschland

■ Eine akkurat recherchierte Geschichte aus der Welt der Soap-operas

Von Harald Keller

Nach wie vor gelten ja die Amerikaner als das geschmackloseste Volk dieser Erde. Warum eigentlich? Diese bezaubernden, kulturell hochstehenden Menschen geben, im Gegensatz zu den germanischen Barbaren, einem David Hasselhoff nämlich keinen Plattenvertrag. Im Heimatland des Rock, Blues und Soul darf dieser tapsige Tanzbär keine aufgewärmten Uralt-Hits öffentlich vortragen.

Niemand würde auch nur einen müden Dollar ausgeben, um Hasselhoff mit der Eleganz eines Preßlufthammers über die Bühne stampfen zu sehen. Verschämt schlossen die hochgebildeten und feinsinnigen Amerikaner die Augen, böte sich ihnen ein Anblick wie jener, der deutschen Fernsehzuschauern alljährlich anläßlich der Aufzeichnung von „Peters Popshow“ in der Dortmunder Westfalenhalle zugemutet wird: Begleitet von zwei weiblichen Blickfängen wuchtet sich David Hasselhoff über die Rampe, versucht vergeblich, seine massiven Flanken im Takt der Musik zu wiegen und tritt mit stämmigen Säulenbeinen auf die Bühnenbretter ein, als wolle er sich gegen ein Heer heranstürmender Nagetiere zur Wehr setzen.

Und Tausende von zumeist weiblichen Hohlkörpern, vom Baby bis zur Omi, kreischen angesichts dieser fleischgewordenen Bonhomie wie am Spieß vor ekstatischer Begeisterung. Und so etwas nennt sich Kulturnation...

Nicht so der Amerikaner, der sich andererseits aber auch keineswegs von Vorurteilen leiten läßt und den von Geburt an Benachteiligten durchaus eine Chance gibt. So konnte durch einen dramaturgischen Kunstgriff also auch ein David Hasselhoff zum Fernsehstar werden, indem man ihm einfach ein zugleich elegantes und hochintelligentes Auto namens Kitt zur Seite stellte. Dieses zog lange Zeit die Aufmerksamkeit der Fernsehzuschauer auf sich, und so fiel die hölznerne Mimik des menschlichen Hauptdarstellers zunächst nicht weiter auf. Aber mit dem Gewöhnungseffekt kam die Entlarvung. „Was mutet Ihr uns da zu?“ riefen die amerikanischen Zuschauer, und die Produzenten der Serie Knightrider sahen sich ertappt, wurden rot vor Scham und stellten die Dreharbeiten schleunigst ein.

Das war Pech für die wenigen empfindlichen Menschen kultivierten Gemütes auf der anderen Seite des großen Teichs, denn damit er auch weiterhin einen Porsche, einen Mercedes und zwei Trans Ams fahren konnte, mußte Hasselhoff wieder in Deutschland Platten machen, auf Tournee gehen und im Fernsehen auftreten. Flehentlich und am Ende ihrer Kräfte sammelten deutsche Verstandesmenschen Unterschriften wider diesen Ungeist: Klaus Staeck zögerte nicht, Dorothee Sölle durfte nicht fehlen. Walter Jens, Hans Zippert, Margarete Mitscherlich waren dabei und Uta Ranke-Heinemann nicht minder. Mit ihrer Petition wandten sie sich an unsren Nato -Partner, und der Amerikaner hatte ein Einsehen, erbarmte sich und puzzelte beflissen eine neue Serie zusammen um ein Team von fünf kalifornischen StrandwächterInnen, in deren Mitte, so hofften alle, David Hasselhoff nicht so sehr auffallen würde. Aber weit gefehlt. Der sensible US-Bürger ließ sich nichts vormachen, und ein Proteststurm hob an, der die Verbannung dieses Schandwerks nach sich zog. So blieb den Produzenten nichts anderes übrig, als die 21 Episoden der Serie „Baywatch“ in Deutschland zu entsorgen, wo Millionen komatös verzückter Fans wie vernarrt am Bildschirm hängen werden, wenn David Hasselhoff über Malibus Strände streunt. Heute abend um 20.15 Uhr geht's los.

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