Horrorszenarios über die Zukunft der Erde

■ Bei der Klimakonferenz in Sundsvall waren Abwiegler und Panikmacher unter sich Millionen Umweltflüchtlinge vorhergesagt / Konkretes Programm scheitert mal wieder an USA

Aus Sundsvall Reinhard Wolff

Wird das Leben auf der Erde von einem „galoppierenden“ Treibhauseffekt bedroht? Wird sich die gesamte Erdatmosphäre so verändern, das Klima so umkippen, daß die Erde als glutheißer toter Ball endet, ein Planet wie Venus? Bisher noch wird der größte Teil des freigesetzten Kohlendioxids von der Vegetation und den Meeren „verarbeitet“. Was, wenn menschliche Aktivitäten diesen Mechanismus verlangsamen, stoppen?

Extreme Horrorszenarios wurden auf der gestern zu Ende gegangenen Klimakonferenz der Vereinten Nationen im schwedischen Sundsvall aufgezeichnet. 400 UmweltexpertInnen aus 75 Ländern sollten eine Art Zwischenbilanz der bisherigen Forschungsergebnisse ziehen, um diese zu einem Bericht der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) gebündelt für die Weltklimakonferenz im November in Genf aufzubereiten. Das vor 18 Monaten eingesetzte IPCC -ForscherInnenkomitee legte neue, alarmierende Zahlen vor: Eine 3-4 Grad höhere Mitteltemperatur bis zum Ende des nächsten Jahrtausend selbst bei einem Festschreiben des globalen CO2-Ausstoßes, also keinerlei weitere Steigerung, auf dem aktuellen Niveau. Als Folge: Ein um 40-85 cm gestiegener Meeresspiegel, der weite Teile jetzigen Kulturlandes überflutet. Möglicherweise Hunderte von Millionen von Umweltflüchtlingen, die vor Trockenheit, Überschwemmungen, Wald- und Steppenbränden, Mißernten fliehen.

9 Milliarden Tonnen CO2 werden jährlich freigesetzt. Nur wenig davon bleibt in der Atmosphäre. Die Prozesse, die dafür sorgen, daß Erdboden, Meere und Vegetation den größten Teil hiervon binden, sind noch weiterhin unerforscht. Die Warnungen der in Sundsvall versammelten ForscherInnen: Das empfindliche Gleichgewicht kann schneller als bislang vermutet und aus unbekannten Ursachen umkippen. Der Hinweis auf die Nachbarplaneten Mars und Venus, nach kosmischen Maßstäben nahe beieinander liegend, zog sich wie ein roter Faden durch die Diskussionen. Der Mars eine trockene, eiskalte Wüste, das meiste der Atmosphäre „weggeblasen“, bis auf schwache Reste von Kohlendioxid.

Noch bedrohlicher der Vergleich mit der Venus: In Größe und Zusammensetzung fast ein Abbild der Erde, aber eine mittlere Temparatur von 450 Grad. Wurde irgendwann die Venus vom galoppierenden Treibhauseffekt getroffen, die für diese Hitze sorgte und dazu führte, daß die Atmosphäre zu 90 Prozent aus CO2 besteht? Ein Schicksal, das ähnlich auch der Erde drohen kann? Die Mehrzahl der in Sundsvall vertretenen ForscherInnen sprachen sich jedenfalls für eine Verminderung des CO2-Ausstoßes um 60 Prozent aus, um den Gehalt von Kohlendioxid in der Atmosphäre auf dem jetzigen Niveau zu halten, jedem weiteren Risiko nicht wiedergutzumachender Schäden aus dem Weg zu gehen.

All dies seien Spekulationen, alle Vorhersagen seien zu unsicher, die wirklichen Folgen des Treibhauseffekts noch unerforscht: Argumente, die seit Jahren zu hören sind und auch in Sundsvall wieder von der Regierungsdelegation der USA vorgebracht worden sind, um jegliche Festlegung auf verbindliche Grenzwerte zu verhindern, kritisierte Greenpeace die gesamte Veranstaltung in Sundsvall: Seit Jahren werde nur geredet, in Sundsvall wiederholt, was im Mai in Bergen zu hören war, was im November wieder in Genf heruntergebetet werde. In einer Greenpeace-Erklärung heißt es: „Diese Konferenz ist unnütz!“

Auch Schwedens Umweltministerin Birgitta Dahl räumte ein, daß sich international viel zu wenig tue. Doch sei einiges auf nationaler Ebene in Bewegung geraten. Die Atomenergie wurde in Sundsvall nicht als Retterin in der Not aufgebaut: Zumindest mit der „aktuellen Generation von Reaktoren“ stelle sich keine Lösung des Energieproblems dar, stellt der Bericht des IPCC lakonisch fest.