piwik no script img

Schriftstellerische Bigamie

■ Die spanische Starreporterin Rosa Montero hat sich auch in der Literaturgeschichte etabliert. Andrea Rössler schaut sich ihre Bücher an

Die spanische Starreporterin Rosa Montero hat sich auch im Literaturbetrieb etabliert.

ANDREA RÖSSLER schaute sich ihre Bücher an.

Der Liebhaber begegnet ihr ganz unverhofft: Die Recherchen zu einem Sammelband mit Interviews über die Stellung der Frau im postfranquistischen Spanien münden überraschend in eine fiktive Chronik der Lieblosigkeit (Cronica del desamor, 1979). So nimmt es nicht Wunder, daß dieser Romanerstling noch weitgehend den Schreibmustern einer Literatur der Authentizität verpflichtet bleibt. In einem journalistischen Rundumschlag bringt Rosa Montero hier eine Fülle von frauenspezifischen Themen aufs Tapet, die die Literatur der iberischen Halbinsel bis dato weitgehend vernachlässigt hatte: Abtreibung, Vergewaltigung, alleinerziehende Mütter... Das schlechte Gewissen der Journalistin belastet freilich von Anfang an die Beziehung zu dem Liebhaber Roman: Sowohl in Interviews als auch in ihren Prosatexten reflektiert Rosa Montero mit Vorliebe über die Schwierigkeit, sich erzählerische Freiräume zu schaffen und die (Alltags-)Realität beiseite zu lassen. Dieses postmodern anmutende Phänomen des über sich selbst und das Schreiben allgemein reflektierenden Textes entpuppt sich bei näherem Hinsehen indes auch als ein Hinweis auf eine spezifische Schwierigkeit des weiblichen Zugangs zur Schrift. Dazu ein kurzer Blick auf den zweiten, 1981 erschienenen Roman der Autorin (Die Funktion Delta): Was sich vordergründig wie ein Text über die drei klassischen Literaturthemen Liebe, Altern und Tod liest, ist gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit vermeintlich typischen Schreibweisen von Frauen, die die Autorin als defizitär empfindet. Die Ich-Erzählerin Lucia, die ihr Leben bald in Memoiren, bald in Tagebuchform verarbeitet, greift so zunächst auf Spielarten autobiographischen Schreibens zurück und setzt sich damit der beißenden Kritik des in den Roman eingeschleuderten männlichen Rezensenten Ricardo aus. Lucia löst sich daraufhin in ihren eigenen Texten peu a peu von der Realität ab. Damit - so scheint es - hat sich auch Rosa Montero selbst von einer Schreibhemmung befreit, denn die nachfolgenden Romane schlagen ganz andere Töne an.

Das Dokumentarische und die Selbstreflexivität machen irrealen, grotesken Geschichten Platz. Und schließlich kommt denn auch der ersehnte Erfolg auf dem Literaturmarkt. Dem trägt jetzt der Peter Hammer Verlag in Wuppertal mit der Übertragung der Texte Rosa Monteros ins Deutsche Rechnung. Im Abstand von nur einem Jahr sind dort in der stilsicheren Übersetzung von Susanne Ackermann der dritte und vierte Roman der Autorin erschienen*.

Ich werde dich behandeln wie eine Königin (1983) ist ein groteskes Melodrama in Romanform, das ein Panoptikum der Scheiternden vorführt, die mit unerfüllten Liebessehnsüchten, Desillusionierung und Einsamkeit zu kämpfen haben. Die skurrilen Figuren drehen sich im Kreis wie Marionetten, denen die Autorin nur naive Träume, aber keinen Ausweg gönnt. Im Zentrum des Geschehens steht die alternde Nachtclubsängerin Bella, die sich in den vermeintlichen Bolerotexter Poco verliebt, welcher es allerdings auf die junge Vanessa abgesehen hat. Diese wiederum nimmt den Heiratsantrag des peniblen Beamten Antonio an, dessen Schwester Antonia ein Verhältnis mit dem um viele Jahre jüngeren Damian hat. Als Antonia von ihrem Bruder dazu gezwungen wird, die skandalöse Beziehung zu beenden, rächt sich Bella stellvertretend für die allesamt männlicher Gewalt ausgesetzten Frauenfiguren des Romans an Antonio, indem sie ihn aus dem Fenster seiner im vierten Stock gelegenen Wohnung wirft.

Der Erfüllung ihrer zentralen Forderung „Wir Schriftstellerinnen müssen uns das Reich der Imagination erobern“ kommt Rosa Montero mit diesem Roman bisher am nächsten, denn es gelingt ihr hier im Medium einer wortgewandt und spannend erzählten Geschichte, sowohl existentiell als auch gesellschaftlich bedingte Konflikte aus spezifisch weiblicher Pespektive zu schildern.

Für ihren vierten Roman Geliebter Gebieter gilt das nicht mehr in gleicher Weise. Es ist ein schnelles, plakatives Buch, das mit dem amerikanisierten spanischen Kapitalismus der achtziger Jahre oftmals klischeehaft abrechnet. Erzählt wird aus der Perspektive des ehemals erfolgreichen Werbedesigners Cesar, der sich in der hierarchischen, einem unerbittlichen Leistungsprinzip folgenden Struktur einer Madrider Werbeagentur verfängt. Im Spannungsverhältnis zwischen aggressiver Auflehnung und masochistischer Unterwürfigkeit kapituliert er schließlich und liefert sich vollends dem entfremdenden Machtapparat aus. Dieser Roman über das Wesen der Macht und die Ichspaltung jener, die das Denken in Hierarchien verinnerlicht haben, erreichte in Spanien eine noch größere Auflagenzahl als Ich werde dich behandeln wie eine Königin. Rosa Montero hatte es endgültig geschafft, sich auf dem Literaturmarkt zu etablieren.

Die viel beschworene spezifisch weibliche Imagination freilich ist dabei auf der Strecke geblieben. Die Autorin hat sich in einem atemberaubenden Tempo zu einer routinierten, aber traditionellen Erzählerin entwickelt, die ihr Handwerk versteht, es perfektionieren, aber nicht revolutionieren will. Jetzt ist in erster Linie eine „Universalisierung der Themen“ angesagt. Wer sich darunter wenig vorstellen kann, warte auf die Übersetzung ihres neuesten, im Februar dieses Jahres in Spanien erschienenen Romans (Zittern): ein in Science-Fiction-Form gekleideter Bildungsroman, dessen Protagonistin auf der Suche nach den Grundbedingungen menschlichen Seins und Zusammenlebens ist.

*Rosa Montero: Geliebter Gebieter. Roman. Aus dem Spanischen von Susanne Ackermann. Wuppertal (Peter Hammer Verlag) 1989. Rosa Montero: Ich werde dich behandeln wie eine Königin. Roman. Aus dem Spanischen von Susanne Ackermann. Wuppertal (Peter Hammer Verlag) 1990.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen