: Eishockey mit Lambsdorffscher Krücke
■ Moskau gewinnt das 21. Sommerturnier, bei dem sich die Preußen recht flott zeigen und Dynamo schlapp, nur: Zuschauer waren in den beiden Berliner Eishallen kaum zu sehen. Was soll's, das DDR-Innenministerium zahlt
Charlottenburg/Hohenschönhausen. Warm war's vergangene Woche, schön warm. Und doch kein Gedanke an Eis in den Köpfen der Berliner. Schön und gut, Vanille, Erdbeer, Walnuß oder Schokosplit erfreuten sich allerbester Nachfrage, doch für das DDR-Innenministerium ist das ein schlechter Trost.
Was sich zunächst ein wenig zusammenhanglos anhört läßt sich leicht entwirren: Vergangenen Montag startete das 21. Eishockey-Sommerturnier in Berlin. Beidhälftig, wie sich das zur Zeit gehört.
Also, gespielt wurde im Dynamo-Sportforum und in der Jaffeestraße, nur fand sich niemand unter den üblichen Sponsoren, um dabei finanziell zu helfen. Da traf es sich günstig, daß das DDR-Innenministerium als Hauptsponsor des Polizei-Clubs EHC Dynamo Berlin noch 120.000 DM in der Kasse fand, die es als Ausfallsbürgschaft zur Verfügung stellte. Die sind jetzt weg. Vielleicht auch, weil im Ministerium das Prinzip der Ausfallbürgschaft nicht so recht bekannt war.
Eigentlich nämlich sollten sich Sportveranstaltungen durch die Einnahmen aus Kartenverkäufen finanzieren, doch die westlichen Organisatoren sind längst dazu übergegangen, die Summen komplett in ihren Etats zu verplanen. Und eigentlich war das ganze Turnier ziemlich daneben geplant wettermäßig.
Weil ja keiner ahnen kann, daß sich die Leute momentan nicht fürs Eishockey interessieren. Ist einfach eher Biergartenzeit. Die schöne Hoffnung von Dynamo-Clubchef Dieter Waschitowitz („Täglich 1.000 Zuschauer in beiden Hallen, dann sind wir aus dem Schneider“), sie ist dahin: Zur Eröffnung 110 Zuschauer im Ost-Teil und 495 im West-Teil der Stadt. Zum Finale am Freitag 800 bei den Preußen, beim Spiel um Platz 7 ganze 100 bei den Dynamos.
Besser also, die ganze Geschichte nicht von der geschäftlichen, sondern von der sportlichen Seite zu betrachten. „Standortbestimmung“ sagen Trainer bei solchen Gelegeheiten: Am 14. September geht es los mit der neuen Bundesligasaison, höchste Eisenbahn also, die Kufenmänner langsam in Schwung zu bringen. Und den Preußen geht es dabei gar nicht schlecht. Mit 5:3 holten sie sich gegen den schwedischen Erstligisten Södertälje BK den dritten Platz und 4.000 DM Prämie.
Dabei zeigten die Preußen ihre bisher beste Leistung bei diesem Turnier und kamen durch Kapitän Axel Kammerer in der fünften Minute zu ihrem ersten Treffer. Zwei Minuten später erhöhte Georg Holzmann nach Vorarbeit von Harald Birk zum 2:0. Der Anschlußtreffer für die Schweden fiel durch Haszar (16.). Zu Beginn des zweiten Drittels gerieten die Berliner unter Druck, befreiten sich aber durch ein Tor von Stefan Steinecker (23.) und zeigten danach einsatzfreudiges und kombinationsreiches Eishockey. Als Rückhalt für die Mannschaft erwies sich einmal mehr Nationaltorhüter Klaus Merk. Kammerer erhöhte in der 31. Minute zum 4:1.
Gleich zu Beginn des letzten Drittels verkürzte Ekroth (41.) zum 2:4. Den Anschlußtreffer erzielte Eriksson (46.). Nachdem Schiedsrichter Kluge nach Georg Holzmann auch Harald Birk auf die Strafbank geschickt hatte, mußten die Fans um den Sieg der Preußen bangen. Doch die Skandinavier konnten die Überzahl nicht nutzen, und als der schwedische Torhüter zwei Minuten vor Schluß seinen Kasten im Stich ließ, nutzte Kammerer die Chance zum 5:3-Endstand.
Souveräner Sieger des Turniers indes wurde Dynamo Moskau, zum 17. Mal im übrigen. Keine Chance hatten die überraschenden Finalisten aus der Schweiz vom EHC Kloten: 11:3 - eine deutliche Sache. Ähnlich klar verlief das Sommereishockey für die Dynamos aus Ost-Berlin, nur im negativen Sinn. Bereits im Lokalderby gegen die Preußen am Mittwoch wurde mit 2:5 verloren, und das 2:9 gegen die Frankfurter Eintracht bedeutete den letzten Platz von acht (die tschechoslowakischen Erstligisten Zlin und Bratilava kompletierten das illustre Feld). So schlapp präsentierte sich der 15malige DDR-Meister, daß das 'Deutsche Sportecho‘ richtiggehend böse wurde.
„Nichts stimmte, am allerwenigsten die Moral“, wetterte Gesamtdeutschlands einzige Sport-Tageszeitung, und drohte marktwirtschaftlich mit der Lambsdorffschen Krücke: „Die Zeiten der Gurkenliega mit zwei Mannschaften sind vorbei. Leistung ist gefordert und dementsprechend wird gezahlt.“ Niederlagen quälen da nicht mehr nur den zuschauenden Sportreporter, sondern: „Einige Spieler werden das auf dem Lohnstreifen merken.“ Mißerfolg fressen Konto auf!?
Dabei hatte Ladislav Olejnik, Frankfurts Coach und designierter Nachfolger von Xaver Unsinn, den beiden Neulingen in der Bundesliga (Dynamo Weißwasser, Dynamo Berlin) fröhlich die Hand zum Gruße gereicht: „Einmal begrüße ich die damit verbundene Aufstockung auf zwölf Mannschaften, zum anderen machen neue Klubs das Geschehen immer interessanter.“
Es sind ja noch zwei Wochen Zeit für die Berliner aus Hohenschönhausen, sich vom Kräfteschwund des Turniers zu erholen. Fünf Spiele in einer knappen Woche sind schließlich kein Pappenstil für Spieler, die sonst nur zwischen November und Weihnachten ernsthaft dem Puck nachhetzten, und außerdem wollen sich die Dynamos mit zwei guten Ausländern verstärken. Billig wird das nicht. Die Preußen haben des sowjetischen Starverteidiger Michail Tatarinow an der Angel
-600.000 Dollar soll er kosten.
Aber vielleicht schauen die Herrn vom Innenministerium der DDR ja freundlicherweise nochmal in der Kasse nach. Besser sie verjuxen ihr Geld für Eishockeyspieler statt für Gummiknüppel.
-thöm
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