„Eine politische Instinktlosigkeit“

■ Protest gegen Einreisebeschränkungen für Polen

DOKUMENTATION

Mit einer politischen Instinktlosigkeit ohnegleichen und ohne Vorwarnung haben die Grenzbehörden der DDR wahrscheinlich auf Drängen der Bundesbehörden - seit heute Einreisebeschränkungen für polnische Staatsangehörige, die Berlin besuchen wollen, in Kraft treten lassen. Ausgerechnet am Jahrestag des deutschen Einmarsches nach Polen wird den Bürgern dieses Landes die Tür zum „gemeinsamen europäischen Haus“ vor der Nase zugschlagen.

Nach Berichten von Reisenden werden nur noch polnische Staatsangehörige über die Grenze gelassen, die entweder eine Hotelreservierung, eine Einladung oder eine größere Menge Geld vorweisen können.

Nun ist es zwar das Recht eines jeden Landes, sich seine Gäste selbst auszusuchen. Aber gerade an diesem Tag sollte es offensichtlich sein, daß sich Polen seine „Gäste“ nicht immer aussuchen konnte. Was auch immer uns - bei einer übertriebenen Darstellung der hiesigen Presse - die polnischen Gäste in Berlin angetan haben, so kann man es wohl nicht mit den umgekehrten „Besuchen“ vergleichen. Besonders entwürdigend finden wir, daß diese Beschränkungen ohne Vorwarnungen angewendet wurden und Polen somit wieder als nicht beachtenswerte Objekte von deutschen administrativen Maßnahmen betroffen sind.

Hat irgend jemand einen Gedanken an die polnischen Staatsbürger verschwendet, die heute völlig überraschend an der Grenze zurückgewiesen werden - wo sie vielleicht zu einem Familienbesuch hier erwartet werden? Wir protestieren gegen die Einreisebeschränkungen und die Art ihrer Anwendung auf das Entschiedenste. (...) Diese Maßnahme läßt nicht auf gute Nachbarschaft hoffen. Besonders die Instinktlosigkeit bei der Wahl des Datums läßt alte Ängste wieder wach werden.

Polnischer Sozialrat e.V., Selbsthilfeorganisation polnischer Immigranten in Berlin