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Tiermediziner im Notstudium

■ Asbestverseuchtes Institut gesperrt und nur noch mit Schutzanzügen zu betreten / Studenten und Professoren bangen um ihre Forschungsmöglichkeiten / Bittbriefe eines Professors an die Industrie

Zehlendorf. Verzweiflung im Fachbereich Veterinärmedizin der FU: Am 1. August wurden die Labor- und Unterrichtsräume in der Koserstraße 20 aufgrund der hohen Asbestbelastung geschlossen. Ab 15. Oktober wird der Universitätsbetrieb nur mit einem Notprogramm arbeiten können. Rund 1.500 Studenten und 150 Wissenschaftliche Mitarbeiter werden behelfsmäßig in anderen Instituten und Containern untergebracht. Für viele wird sich die Studiendauer verlängern, die Drittmittelförderung ist in Gefahr. Und die gesundheitlichen Folgen sind ohnehin noch nicht abzusehen.

Bereits 1987/88 gab es an der FU den Hinweis, daß das Fachbereichsgebäude asbestverseucht ist. Als Gegenmaßnahme wurden die Wände isoliert, um die weitere Freisetzung des krebserregenden und hochgiftigen Stoffes zu verhindern. Bis 1991 sollte das Gebäude geräumt und dann saniert werden. Doch bei den re gelmäßigen Messungen wurde am 28. Juli ein Spitzenwert von 330.674 Fasern pro Kubikmeter festgestellt, der zulässige gesundheitsgefährdende Grenzwert liegt laut Abgeordnetenhausbeschluß vom 9. Juni 1988 bei 500 Fasern pro Kubikmetern.

Die Reaktionen von FU und Senatsverwaltung waren drastisch: Über Nacht wurden die Räume gesperrt. Inzwischen sind luftdichte Schleusen eingebaut, um die weitere Ausbreitung des Giftes zu verhindern. Die betroffenen Gebäudeteile insgesamt 6.000 Quadratmeter Forschungsfläche - dürfen nur noch in Schutzanzügen betreten werden.

Hauptproblem der Fachbereichsprofessoren ist der anstehende Semesterbeginn am 15. Oktober. Den Studenten und Wissenschaftlern fehlen jetzt nicht nur geeignete Laborräume, auch die Geräte wie Computer sind verseucht und müssen auf eine Sondermülldeponie gebracht werden. Neue und teure Geräte kann die FU kurzfristig nicht anschaffen. Viele langfristigen Forschungsarbeiten, wie zum Beispiel Bakterienzüchtungen, sind verloren und müssen neu angelegt werden. Darunter sind auch Forschungsarbeiten für die Industrie. Der dadurch entstandene Schaden ist noch nicht abzusehen.

Betroffene Institutsangestellte bemängeln, daß sie nur unzureichend über die Gesundheitsgefährdung informiert wurden. Zwar wurden 1988 Warnschilder angebracht, doch die Meßergebnisse wurden zumindest nicht allen Angestellten bekanntgegeben, so die gesundheitspolitische Sprecherin der AL, Gisela Wirths. Nach der taz vorliegenden Informationen lagen einige Meßwerte bereits seit dem 14. Juli - rund zwei Wochen vor der Schließung - über dem gesundheitsgefährdenden Grenzwert von 500 Fasern pro Kubikmeter.

Inwiefern der Unterrichts- und Forschungsbetrieb durch die Schließung der Räume beeinträchtigt wird, ist unter den Professoren umstritten. Prof. Dr. H.J. Langner spricht von einer „nationalen Katastrophe“ und bat in einem Bittbrief an Industrie und Bundeskanzler um eine kurzfristige Unterstützung in Höhe von 20 bis 30 Millionen Mark, da FU und Senat keine Gelder hätten. Dagegen bezeichnete der Dekan des Fachbereichs, Prof. Dr. Hörchner, die Bittbriefe als „rein private Äußerung eines Institutsangehörigen“. Der Unibetrieb werde unter „sehr eingeschränkten Möglichkeiten“ in verschiedenen Laborräumen weitergeführt. Zusätzlich sollen Laborcontainer in Düppel aufgestellt werden.

Schlimm sieht's für mehrere Doktoranten aus: Ihre Promotion werden sie entweder verschieben oder an einer anderen Uni fortsetzen müssen - besonders drastisch, da einige bereits kurz vor Beendigung ihrer jetzt verlorenen praktischen Arbeiten waren und einen Job in Aussicht hatten - unter der Bedingung, daß sie bis dahin auch ihren Doktortitel in der Tasche hätten.

Rochus Görgen

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