„Ich will, daß meine Wut vertreten wird“

■ Interview mit der Bremer Landesvorsitzenden der neu gegründeten PDS/Linke Liste, Wiltrud Sossna

Unbemerkt von der Öffentlichkeit ist am Montag im Nebenzimmer der Kneipe „Bandonion“ im Ostertor der Bremer Landesverband der PDS/Linke Liste gegründet worden. Am Donnerstag abend veranstaltete der „Koordinierungsausschuß“, der für die Listengründung sorgte, eine erste Diskussion des Wahlprogramms. Für eine Kandidatur der PDS/Linken Liste in Bremen müssen nun noch 600 Unterschriften gesammelt werden.

Gleichberechtigte Vorsitzende der Bremer PDS/Linke Liste sind Wiltrud Sossna und Harald Werner. Zum Vorstand gehört auch der langjährige Chef des Bremer „Kommunistischen Bundes“ (KB), Otto Pirschel.

taz: Wer braucht denn die PDS/Linke Liste?

Wiltrud Sossna (Bremer Vorsitzende): Zum Beispiel ich. Ich bin aus dem Urlaub wiedergekommen und wurde mit dieser Wahl konfrontiert. Ich empfinde mich als politischen Bürger, der nicht nur irgendwo ein Kreuzchen macht, sondern das auch gestalten will. Und deswegen brauche ich diese Linke-Liste -Verbindung. Ich brauche keine Partei, sondern ich will einfach meine Wut, die ich im Bauch hab über Prozesse, die in diesem Lande passieren, ausdrücken. Da muß man nur sagen: Irak, was mit den DDR-Leuten passiert, was mit uns hier passiert - diese Anlügerei...

Ist das Euer Ziel: Für die Wut das richtige Kreuzchen machen dürfen?

Ich will die Wut nach außen sagen können, ich will sie vertreten. Die Linke schweigt heute zu unheimlich vielen Sachen. Und ich will auch, daß für mich im Bundestag - und der ist ja eine Realität - eine Kraft vertreten ist, die das konsequent für mich vertritt, die Nein sagt, die sich Gedanken macht über Positionen, die man aus einer linken Perspektive erringen kann.

Was ist denn links an der Linken Liste?

Für mich ist links, wirklich zu versuchen, demokratische Strukturen zu finden innerhalb eines Zusammenlebens von Menschen, auch innerhalb der Partei. Aber ich habe auch meine Vorbehalte gegen die PDS. Die alleine hätte ich sicher auch nicht unterstützt.

Daß sie interne Demokratie praktizieren, das behaupten alle anderen Parteien auch von sich.

Das weiß ich nicht, ob die das für sich auch realisieren. Das müssen sie selber wissen. Ich würde mich in deren Strukturen und Prozessen jedenfalls nicht wiederfinden. Die Diskussionen, die laufen, und die ganzen verschiedenen Positionen sollen ihren Ausdruck finden.

Wessen Positionen?

Meine, alle haben hier eine unterschiedliche Sicht.

Du bist DKP-Mitglied gewesen?

Ja.

Also ein Auffangbecken für heimatlose DKP-Mitglieder?

Das würde ich nicht sagen, da sind auch viele andere dabei.

-Was mich zutiefst ärgert, ist, daß man eine bestimmte öffentliche Meinung kaputt macht.

Welche Meinung?

Für mich auch so eine Meinung wie die der PDS in der DDR. Durch die Maßnahmen gegen das Parteivermögen und durch bestimmte Diskussionen wurde versucht, die kaputt zu machen. Das ärgert mich. Und mich ärgern auch - und das habe ich mir geschworen, nie wieder mitzumachen - diese ganzen Ausgrenzungsmechanismen, die zum Beispiel auch die Grünen haben.

Ich kann verstehen, daß man viele Vorbehalte hat, aber ich will, daß diese Meinung, daß dieses Stück alte DDR und die Hoffnungen, die ich damit einmal verknüpft habe, daß die nicht in Vergessenheit geraten.

Ihr seid die wahren Konservativen, die Bewahrer der Traditionen?

Nein, ich will nichts mit konservativ zu tun haben.

Interview: Dirk Asendorpf