: Edmonton Broilers ausgelacht
■ Eishockey-Epson-Cup in Düsseldorf: Erstmals traten Teams der legendären nordamerikanischen NHL in Europa an /Musikalische Verwirrungen auf dem Eis und beschämendes Zuschauerinteresse
Aus D'dorf Bernd Müllender
Und nun die Nationalhymnen. Was schon bei Länderspielen für reichlich überflüssiges Pathos sorgt, war beim Epson-Cup in Düsseldorf erst recht unpassend, da sich allein Club Mannschaften gegenüberstanden. Gastgeber DEG aber wollte es so, und strafte sich gleich selbst. Statt des amerikanischen Dschingbumm dudelte eine unbekannte Weise aufs Eis, die bei einigen Spielern der St. Louis Blues statt würdevoller Blicke sofort schallendes Gelächter hervorrief.
Der Fauxpas war allen Verantwortlichen nachher furchtbar peinlich, und sie wollten gar nicht mehr aufhören, bei den amerikanischen Sportsfreunden um Verzeihung zu bitten. Der Stadionsprecher gab sich unschuldig: „Auf der Kassette stand nur Ami-Hymne, und die hab ich reingeschoben.“
Ein bißchen zuviel des Guten, und das war symptomatisch für dieses Turnier, das im vorherein zurecht als sportliche Sensation bezeichnet worden war. Erstmals spielten zwei Teams der legendären nordamerikanischen National Hockey League (NHL) in Europa, und eine von ihnen war zudem der amtierende Stanley-Cup-Sieger, die Edmonton Oilers. Superstars en masse, Kufenkunst aus dem Hockey-Mutterland.
Und wer nach der letzten Schlußsirene all die Artigkeiten, das Eigenlob und gegenseitige Schulterklopfen hörte, muß überzeugt gewesen sein, Zeuge eines historischen Wochenendes gewesen zu sein: Da würdigte der Chef-Coach von Turniersieger St. Louis Blues die Fans an der Düsseldorfer Brehmstraße überschwenglich als faszinierend, großartig und viel begeisterungsfähiger als in den eigenen Riesenarenen zuhause.
DEG-Trainer Hans Zach freute sich, „mehr als ein Sparringspartner gewesen zu sein gegen die NHL-Teams, die für uns früher wie in einer anderen Welt schwebten“. Der Präsident der legendären Eishockey-Liga höchstpersönlich, John Ziegler jr., attestierte der DEG, „die Oilers mehr als 30 Minuten frustriert“ zu haben, und Oilers-Chef John Muckler lobte bestgelaunt die Referees, die die seinen unter sehr fragwürdigen Begründungen reihenweise aufs Strafbänklein beordert hatten: „Da konnten wir endlich mal intensiv das Unterzahlspiel üben.“
Zwischen Anspruch und Nachspiel aber waren dreimal die Kellen gekreuzt worden. Und da war einiges Überraschende geschehen. Zunächst mühte sich St. Louis gegen den deutschen Meister DEG bis weit ins letzte Drittel, ehe es glücklich mit 3:1 gewonnen hatte. Tosender Beifall, als zu Match number two am Freitag die mythenumwobenen Oilers aufs Glatteis glitten. Das frühere Team des one and only Wayne Gretzky, die derzeit stärkste Vereinsmannschaft der Welt mit ihrem neuen Hyperstar Mark Messier, dem, laut Kanada-Presse, „Hochey-Macho mit der kontrollierten Wut“, von dem die Sage geht, es gebe keine Eisstelle, von der er noch nicht ins Tor getroffen hätte.
Anfangs zeigten auch die Kanadier mit dem Öltropfen auf der Brust und besonders die Werbeträger der Bluenote vom Mississippi (das erste Match zweier NHL-Teams außerhalb der Heimat überhaupt), was man hierzulande sonst nicht zu sehen bekommt: Stakkato-Kurzpaßspiel insbesondere bei Überzahl, scheinbar mühelose Soli voll tänzerischer Eleganz, krachende Handgelenk-Schüsse und unbekannt spielintelligente Verteidiger, die auch bedrängt Angriffe aufzubauen vermögen, wo hiesige Checkcracks und Zerstörungsspezialisten nur noch den Verlegenheitsschlenzer in die Bandenecke kennen.
Je einer ging wagemutig ohne Helm zu Werke, was eigentlich auch in Nordamerika seit 1979 verboten ist, wer aber schon vorher topless spielte, braucht sich, so die NHL -Gesetzgeber, nicht mehr umzugewöhnen. Und zur ersten Intern -Keilerei von Schlittschuhlern der Neuen Welt auf deutschem Boden wird, auch das musik-geographisch fragwürdig, „Mir san die lustigen Holzhackerbuam“ eingespielt. Es steigerte aber die Faustfrequenz erheblich.
Je länger das Spiel dauerte, desto weniger Druck hatten die Oilers auf ihrer Pipeline, desto mehr fanden die Blues Takt und Swing. Und das Tor. Ein ums andere mal schlug es beim schwachen Ölwart Ranford ein, dessen Leute wirkten wie's berühmte Federvieh, was einen Namenswechsel nahelegt: Edmonton Broilers.
Elf Sekunden vor Ende, als das 10:1 fiel, hatte die Demütigung der Oilers ihren Höhepunkt erreicht. Eine neue Sensation: So hoch hatte das Starensemble noch niemals verloren. „Oilers, Oilers, hahaha“, dröhnte es voll berechtigter Häme für die übertriebene Lässigkeit, und die Blues-Freunde bekamen - auch diese musikalische Aufwartung leicht gattungsfremd, zum Dank für die engagierte Darbietung einen vieltausendkehligen Aida-Marsch geblasen.
Auch im abschließenden Spiel gegen die DEG konnten die Ölcracks ihr angeknackstes Renommee nicht mehr wesentlich aufbessern. Beste Chancen und fast ein ganzes Drittel in Überzahl konnte die DEG nicht nutzen, bis DEG-Stürmer Lee ein Einsehen hatte, den müden Mark Messier wunderschön anspielte, und der den späten 2:0-Sieg einleiten durfte. Der Zweck der Mission, das Interesse der deutschen Fans anzukurbeln, um so mehr NHL-Spiele an das europäische Fernsehen zu verkaufen, war mit dem unterkühlten Auftritt der Oilers wohl kaum erreicht. Und auch bei der DEG gab es hinterher lange Gesichter, weil die Resonanz beim „sportlichen Höhepunkt vor Saisonbeginn“ sehr mager war. Peinlich für das „beste Eishockey-Publikum der Welt“, daß das Stadion keinmal ausverkauft war und zum Knüller Oilers gegen Blues sogar halbleer.
Ein DEG-Offizieller meinte beleidigt, statt zwei der weltbesten Teams müsse man „das nächste mal wohl Marsmenschen anheuern, die Eishockey spielen können“. Welche Hymne sie dann wohl auflegen?
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