: „Nicht über große Koalition philosophieren“
■ Wolfgang Roth (SPD) über die DDR-Finanzierung und die Notwendigkeit zum Konsens
INTERVIEW
Wolfgang Roth ist wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD -Bundestagsfraktion.
taz: Was passiert, wenn die Bundesregierung nach den Wahlen die Steuern tatsächlich nicht erhöht?
Wolfgang Roth: Dann gibt es in Deutschland Zinsen von 12, 13, 14 Prozent. Die Kapitalmärkte reagieren auf ein solches Finanzierungsloch sofort. Daß wir seit Januar/Februar steigende Zinsen in Westdeutschland haben, obgleich der Dollar unglaublich schwach ist, hängt damit zusammnen, daß keiner glaubt, daß dieses Finanzierungsloch ohne Zinssteigerungen zu schließen ist. Wenn die Bundesregierung so weitermacht, gibt es eine Zinsexplosion wie 1981/82.
Reichen Steuererhöhungen zur Finanzierung der Konjunkturprogramme wirklich aus?
Für Investitionsmaßnahmen stehen vor allem private Finanzmittel zur Verfügung. Die Frage ist, ob Daimler-Benz oder Siemens eine Menge aus der Kriegskasse in die DDR schicken oder nicht. Sozial gerecht ist das aber nur, wenn gleichzeitig auch Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand vorgesehen wird. Wir müssen erreichen, daß der Standort DDR im weltwirtschaftlichen Rahmen so interessant wird wie meinethalben Südkorea.
Erhöhung der Investitionszulage statt Steuersenkung für die Unternehmen - das läuft doch auf das Gleiche hinaus?
Nein. Bei gesenkten Steuern kann einer mit dem Geld irgendwo in der Welt irgendetwas machen. Etwas anderes wäre eine scharfe Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne, aber eine Begünstigung der Gewinne, die in der DDR Arbeitsmarktinvestitionen zur Folge haben.
Ein Hindernis ist die Restitution der alten Eigentumsrechte. Haben Sie die Partei in der Eigentumsfrage hinter sich?
In der SPD gab es wenig Schwierigkeiten. Die gibt es mit der Rechtsprechung des Verfassungerichts, wo offensichtlich dingliche Rechte absolut sind, während Lebensrechte keine rechtliche Qualität haben. Wenn einer, der christlich, sozialdemokratisch oder liberal orientiert war, in den sechziger Jahren seine Lebenschancen von der kommunistischen Regierung untergraben bekam, erhält er keine Entschädigung. Wenn er aber ein Grundstück gehabt hat, das ihm von der Regierung genommen wurde, dann wird er entschädigt - eine seltsame Verzerrung. Da sind die Sozialdemokraten eigentlich ziemlich zusammen, die Grünen auch, manche Teile aus der CDU.
Wenn Sie Partner in fast allen Parteien sehen - was hätte die SPD durchsetzen können, wenn es jetzt eine große Koalition gäbe?
Es wäre ganz schlecht, jetzt über eine große Koalition zu philosophieren. Wenn wir in der DDR einen Wahlerfolg haben, also wenn zwei oder drei Länder - Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg - mehrheitlich zur SPD kommen, können wir über den Bundesrat jedes Budgetgesetz, jede steuer-, renten- oder sozialrechtliche Entscheidung stoppen und beeinflussen. Wir haben damit eine Entscheidungssituation, die zum Konsens führt, und nicht eine Vermischung zwischen Kohl und Vogel oder Lafontaine auf der Regierungsebene.
Dann sitzt die große Koalition nicht in der Regierung, sondern im Vermittlungsausschuß des Bundesrates.
Ja, aber immer nach großen Konflikten in Vorfeld. Wenn wir die Mehrheit im Bundesrat bekommen, dann bedeutet es andersherum auch, daß wir einen Konsens mit den anderen herstellen müssen. Ohne das geht die gewaltige Jahrhundertaufgabe der DDR-Integration überhaupt nicht. Bonn ist auch viel zu eng.
Die zentrale Frage ist, ob man beispielsweise bereit ist, daß Investitionen, die etwa in meinem Wahlkreis Pforzheim stattfinden, künftig in der DDR getätigt werden.
Da werden sich die Pforzheimer bedanken.
Ja.
Wer wird denn Ihrer Meinung nach Nachfolger von Bundeswirtschaftsminister Haussmann?
Das ist nicht mein Thema. Wir sind ja leider nicht in der Regierung.
Interview: Dietmar Bartz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen