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Havemann und Heym de jure rehabilitieren

■ Havemann wie Heym waren lange Zeit die bekanntesten Unpersonen in der DDR

Berlin (adn) — Der Philosoph und Naturwissenschaftler Prof. Dr. Robert Havemann (1910-1982) und der Schriftsteller Stefan Heym, die 1979 wegen ihres oppositionellen publizistischen und literarischen Wirkens durch Strafverfahren kriminalisiert worden waren, sollen jetzt juristisch rehabilitiert werden. Wie am Dienstag in Berlin mitgeteilt wurde, hat DDR-Generalstaatsanwalt Günter Seidel beim obersten Gericht beantragt, die damals gefällten Gerichtsentscheidungen aufzuheben. Havemann war vom Kreisgericht Fürstenwalde, Heym vom Stadtbezirksgericht Berlin-Köpenick unter dem Vorwurf eines Devisenvergehens mit Geldstrafen von 10.000 beziehungsweise 9.000 Mark belegt worden. Der von den Nazis zum Tode verurteilte Antifaschist Robert Havemann war schon in den sechziger Jahren sämtlicher Lehr- und Forschungsmöglichkeiten an der Berliner Humboldt-Universität beraubt und aus der Mitgliederliste der Akadedemie der Wissenschaften gestrichen worden. In seinem Haus in Grünheide bei Erkner wurde er schließlich unter Hausarrest gestellt. Havemann, bei dem der XX. Parteitag der KPdSU (1956) einen tiefen politischen Wandlungsprozeß ausgelöst hatte, beklagte in seinen berühmten Vorlesungen über naturwissenschaftliche Aspekte philosophischer Probleme (heute in der DDR unter dem Titel Dialektik ohne Dogma? verlegt) als wundesten Punkt der gesellschaftlichen Entwicklung: „Was notwendig ist, was zum Sozialismus als Lebensbedingung dazugehört und was in der Periode des Stalinismus verlorengegangen war, das ist die Demokratie. Sozialismus ist ohne Demokratie nicht zu realisieren.“ Auch im Schaffen von Heym wurden solche Bekundungen als staatsgefährdend und konterrevolutionär eingestuft. Noch als Autor der Kreuzfahrer von heute, des großen Buches über den 2. Weltkrieg, wurde er von den Mächtigen in Partei und Staat anerkannt, sein König David Bericht aber gerade noch geduldet. Als Verfasser des 1979 entstandenen Romans Collin wurde er endgültig ins Abseits gedrängt. Das Buch durfte ebensowenig erscheinen wie seine Fünf Tage im Juni, eine Darstellung der Ereignisse um den 17. Juni 1953, oder sein Roman Schwarzenberg über ein sozialistisches Experiment im Erzgebirge.

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