: Vom Bohren dicker Bretter
Frauenförderpläne im deutschen Sport sorgen für Nachdenklichkeit und Zähneknirschen/ Auch der Deutsche Turnerbund, eigentlich ein Turnerinnenbund, trug jetzt sein Scherflein bei ■ Von Margret Beck
Hamburg (taz) — Hamburgs Nummer eins im Weitsprung hat ihre Weite verdoppelt. Allerdings bedurfte es dazu eines radikalen Technikwechsels: Babett Fuchs springt jetzt schon mal dreifach ab. Damit begab sie sich nicht nur in eine neue Disziplin, den Dreisprung, sondern auch in eine neue Welt: die Disziplin ist vom Verband nur als Männersport anerkannt; Meisterschaften und Kadermitgliedschaften für Mädchen und Frauen gibt es also noch nicht und Startmöglichkeiten nur sehr begrenzt. Die inoffizielle und offizielle Anerkennungsprozedur in dieser Leichtathletikdisziplin könnte jedoch schneller als gewohnt vor sich gehen. Denn der Frauensport springt, spurtet, tanzt und schwingt derzeit mit Rückenwind: den Frauenförderplänen.
Entstanden zur Frauenförderung im betrieblichen Bereich, haben im Sport engagierte Frauen erkannt, daß ein Frauenförderplan ein geeignetes Mittel ist, der Gleichstellung auch im Sport auf die Beine zu verhelfen. Dabei geht es nicht nur um die Sportpraxis, sondern auch um Kommunikationsformen und Entscheidungsprozesse, die im Sport heute noch wie in fast keinem anderen gesellschaftlichen Bereich männlich geprägt sind.
Verabschiedete Frauenförderpläne haben inzwischen der Deutsche Sportbund und die deutsche Sportjugend, die Landessportbünde Baden- Württemberg, Baden-Nord, Württemberg, Hamburg, Hessen und Niedersachsen. In den anderen Landessportbünden sind sie im Entstehen. In der Jugendarbeit wird vielerorts bereits mit verabschiedeten Plänen gearbeitet.
Beim Spitzenverband im DSB mit dem höchsten Frauenanteil, dem Deutschen Turner-Bund, wurde ein Frauenförderplan auf dem Deutschen Turntag am vergangenen Wochenende verabschiedet. Eine Erhöhung des Frauenanteils steht da nicht mehr im Vordergrund — der beträgt bereits rund 70 Prozent. Aber mit nur einem Viertel bis einem Drittel Frauenanteil in den Gremien will sich heute niemand mehr abfinden. Insgesamt sind jedoch nur 37 Prozent der Mitglieder in Turn- und Sportvereinen weiblich. Die Frauenförderpläne zielen deshalb auf die Gewinnung von mehr Frauen. Das ist nur zu erreichen, wenn die Angebote kritisch in Hinblick auf ihre Mädchen- und Frauenfreundlichkeit überprüft und weiterentwickelt werden.
Ein weiteres Ziel ist es, wesentlich mehr Frauen als Mitarbeiterinnnen der Gremien von der Basis bis zur Spitze zu gewinnen. Das ist heute keine Frage der Qualifikation mehr, sondern der Motivation und der Schaffung von Bedingungen, die Frauen die Mitarbeit erst ermöglichen. Auf eine Quote wollte sich kaum ein Verband festlegen. Das berühmte rote Tuch wurde im Schrank gelassen. Dr. Inge Berndt, die Vorsitzende des Bundesausschlusses Frauensport des DSB, sieht vor allem Vorteile: Man habe sich nicht so sehr an einer Forderung festgebissen, sondern ein ganzes Bündel an Maßnahmen beschlossen, weil die Diskriminierung der Frau auch auf ganz unterschiedlichen Ebenen anzusiedeln sei.
Das Zähneknirschen zu einigen Forderungen der Frauenförderpläne ist bei Abstimmungen in den noch männerdominierten Gremien deutlich hörbar. Zunächst konnte der Eindruck entstehen, es drehe sich vor allem um das liebe Geld. Niemand kann heute auf Heller und Pfennig vorrechnen, was zum Beispiel Kinderbetreuung während Sitzungen, Veranstaltungen und Lehrmaßnahmen wirklich kosten könnte. Aber es scheint doch eher der drohende Einbruch der weiblichen Lebenswelt in eine Noch- Männer-Domäne zu sein, der das Zähneknirschen verursacht.
Da werden heilige Sitzungszeiten in Frage gestellt, weil Frauenehrenamt und Männerehrenamt offensichtlich nicht unbedingt zur gleichen Zeit stattfinden können. Tagungsorte sollen nun plötzlich nicht mehr gut genug sein, weil sie zu verraucht sind; Taxikosten werden nicht mehr deshalb abgerechnet, weil sonst der Terminstreß und der Weg vom Flughafen zur Otto-Fleck-Schneise nicht mehr bewältigt werden können, sondern schlicht aus Sorge um einen sicheren abendlichen oder nächtlichen Heimweg und in Ermangelung eines eigenen Pkw. Das Umdenken hat erst angefangen.
Nahezu ein Jahr arbeitet das Präsidium des Deutschen Sportbundes inzwischen an einem Förderplan. Nach Inge Berndt ist dadurch viel Nachdenklichkeit entstanden, in den Köpfen viel in Bewegung geraten. Inzwischen werden zum Beispiel alle Maßnahmen, Kampagnen, Aktionen des DSB daraufhin untersucht, ob sie denn den Frauenbedürfnissen ebenso wie denen der Männer entsprechen — sei es bei „Fair geht vor“ oder dem Deutschen Sportabzeichen. Es wird wohl noch viel Geduld vonnöten sein, bis sich der Frauenförderplan durch seine Erfüllung von selber wieder überflüssig gemacht hat.
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