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„Wer weiß, vielleicht werde ich hier noch sterben“

■ Ohne Geld und Perspektive sitzen Zehntausende „Gastarbeiter“ aus asiatischen Ländern in den jordanischen Wüstenlagern fest INTERVIEW

Das Interview wurde am Sonntag mit einige Flüchtlingen aus Sri Lanka im Lager „Sha‘alan Zwei“ geführt.

taz: Was haben Sie vor Ihrer Flucht gemacht?

Flüchtling eins: Ich habe für das Verkehrsministerium in Kuwait gearbeitet. Zehn Stunden am Tag. Wir haben dreißig kuwaitische Dollar im Monat verdient, das sind ungefähr 100 US-Dollar. Und gewohnt habe ich in einem Wohnheim. Immer vier Leute in einem Zimmer. Die waren groß, jeder hatte sein eigenes Bett. Es gab ungefähr 150 Leute auf vier Etagen. Für jeweils zwei Zimmer gab es immer eine Küche und Badezimmer. Klimaanlagen gab es auch.

Wann sind Sie hier in Sha'alan angekommen?

Am 28. August, mit einem Bus von meiner Firma.

Warum haben Sie Kuwait verlassen?

Es gab nichts mehr zu essen, an manchen Tagen gab es überhaupt kein Wasser, wir hatten kein Geld.

Wollen Sie nach Sri Lanka zurück?

Nein. In Sri Lanka wird gekämpft. Dort ist Krieg.

Wohin wollen Sie gehen?

In ein anderes Land vielleicht.

Haben Sie denn noch Geld?

Nicht mehr viel, zehn oder 20 Dollar. Wir hoffen, daß wir Freunde in Italien anrufen können und daß sie uns Geld schicken.

Hat Ihnen jemand gesagt, wann Sie hier wegkönnen?

Nein. Wir wissen nicht, wann.

Gibt es irgendein System, nach dem die Leute hier aufgenommen und wieder fortgelassen werden?

Sie bringen einen hierher, aber man erfährt nicht, wann man wieder wegkommt.

Wurden Sie irgendwo registriert?

Wir haben uns in eine Liste eingetragen.

Ein anderer Mann: Wir haben unsere Sachen an die Iraker verkaufen müssen, danach hatten wir ein bißchen Geld und sind mit dem Bus gekommen. Die Leute vom Roten Kreuz helfen uns, aber wir bekommen nur einmal am Tag Essen. Mittags und abends müssen wir fasten.

Was hatten Sie für ein Verhältnis zu den Kuwaitis?

Ein Dritter: Ich hatte keine Beziehung zu ihnen. Ich habe mit meiner Mutter und meiner Schwester in Kuwait gelebt. Jetzt sind sie auch bei mir, wir leben im gleichen Zelt. Insgesamt sind wir 40 Leute im Zelt. Auf dem Boden liegt eine Plastikplane. Wir haben keine Decken. Wir schlafen in unseren Kleidern. Es ist schwer, da zu schlafen, weil überall Steine liegen. Die Hitze am Tag ist am schlimmsten.

Ein Vierter: Ich bin mit Freunden in einem Zelt, in Kuwait waren wir Arbeitskollegen. Alle Leute von meiner Firma sind zusammen weggegangen.

Der dritte Mann: Wir hatten noch Lohn für zwei Monate von unserer Firma zu bekommen. Aber die Banken waren zu. Sie haben uns nur unsere Pässe zurückgegeben.

Haben Sie irakische Soldaten auf den Straßen gesehen, bevor Sie Kuwait verließen?

Ja, in Kuwait haben sich die irakischen Soldaten ganz schlimm aufgeführt, wenn du irgend etwas hattest. Als wir in den Bus (nach Irak) eingestiegen sind, haben sie uns alles weggenommen, Geld, Schmuck, und sie sagten, wir hätten das den Kuwaitis gestohlen. Als wir an die kuwaitisch- irakische Grenze kamen, hatten wir ein Video-Gerät und einen Fernseher dabei, um die Geräte zu verkaufen, aber sie haben uns nur sehr wenig Geld dafür gegeben.

Haben Sie Geld für ein Ticket?

Nein, wir haben kein Geld mehr. Wir haben gedacht, unsere Botschaft wird uns helfen. Aber bis jetzt ist niemand von dort gekommen. Wir haben gedacht, daß sie uns ein Schiff zur Verfügung stellen, aber bis jetzt ist nichts passiert. Wir wissen nicht, wie lange wir hier noch bleiben müssen. Die Jordanier erlauben uns nicht, in die Hauptstadt (Amman) zu fahren. Einige Leute haben versucht, von hier wegzukommen, aber sie sind zurückgeschickt worden.

Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

Mehrere gleichzeitig: Es geht uns nicht gut. Wir haben nicht genug Wasser, wir müssen für eine Flasche Wasser Schlange stehen. Wenn Leute ernstlich krank werden, werden sie von draußen abgeholt. (Das Krankenhaus in Ruweished hat maximal 100 Betten, d. Red.)

Ein anderer, lachend: Wer weiß, vielleicht werde ich hier noch sterben. Zuerst kommt man ja in ein anderes Lager (Sha'alan eins, d. Red.). Da war es noch schlimmer. Keine Toiletten, kein Wasser, sehr dreckig. Wenn Sandstürme kamen, sah man nur noch Staub. Und es gab auch keine Zelte. Nach zwei Tagen wurden wir dann hierher gebracht.

Wie behandeln Sie die jordanischen Behörden?

Erster Flüchtling: Mit den jordanischen Soldaten haben wir keine Probleme. Nur mit den irakischen. Das Gespräch führte Nina Corsten

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