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Staatssicherheit im InnenministeriumStasi allüberall?

■ Der DDR-Innenminister Diestel hat das Problem der ehemaligen Stasi-Mitarbeiter, die im Polizeibereich weiter Funktionen haben, immer heruntergespielt. Die Nachricht, daß er Vertrauenspositionen mit geheimen Stasi-Offizieren besetzt hat, quittierte er mit lässigen Gegenangriffen.

Der neue Job gefiel dem Berliner Kriminaloberrat Helmut Schulz, Jahrgang 1931. Der Mitarbeiter des neuen „Zentralen Kriminalamtes“ (ZKA) der DDR richtete sich ein im ehemaligen Stasi-Hauptquartier, wo das Staatliche Komitee zur Auflösung der Staatssicherheit seinen Sitz nahm. Seine Aufgabe lautete: „Quellenschutz“. Wenn das Komitee oder das ZKA Akten aus den 168 Kilometer langen Beständen anforderte, schlug häufig Schulz' Stunde. Er „sichtete“, „überprüfte“ die Einhaltung des Datenschutzes. Kaum etwas, wo er keinen Zugang hatte. So sensible Unterlagen wie die über den Anschlag auf die Weserliner Diskothek La Belle lagen auf seinem Schreibtisch.

Klagen über die Arbeit des Helmut Schulz wurden nicht bekannt. Im Gegenteil. Noch gestern bestätigte das Innenministerium gegenüber der taz: „Es gibt nur Positives über Herrn Schulz zu berichten.“ Vielleicht deshalb, weil der Kriminale Erfahrung im Umgang mit Personalakten besitzt. Bevor nämlich sein oberster Dienstherr Peter Michael Diestel hieß, arbeitete Helmut Schulz jahrelang als Kaderleiter der Abteilung für politische Straftaten (K1) — und lieferte dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) Informationen über neue Mitarbeiter: „Die Personalien und die Art und Weise, wie wir auf den Mann gestoßen sind, daß er zu uns kommt. Wir mußten ja begründen, entwicklungsfähiger, geeigneter Junge“, so Helmut Schulz vor der Kontraste-Kamera.

Helmut Schulz tat das nicht uneigennützig. Seine 2.310 Mark netto, die er bei der Kriminalpolizei verdiente, verrechnete das MfS mit dem Gehalt des „Offiziers im besonderen Einsatz“ (OibE) Helmut Schulz. Das steht in der bislang geheimen Liste mit rund 2.000 Namen, Geburtsdaten, Personenkennziffern, Gehaltszahlungen, Bezirksangaben und Kennziffern der jeweiligen Stasi-Hauptabteilung, der jene verdeckten Oberschnüffler aus Ministerien, Betrieben und allen gesellschaftlichen Institutionen zugeordnet waren.

Kontraste besuchte einzelne OibEs an ihren neuen Arbeitsplätzen. Vor der Kamera mochte sich nur Detlev Pirner, Mitarbeiter im Ostberliner Pressezentrum, zu seinem früheren OibE-Engagement offen bekennen. Der Verwaltungsdirektor des Pressezentrums, Günther Ulisch, leugnete verhalten ebenso wie etliche Fast-Beamte aus dem Außenministerium, dem Ministerrat, der Humboldt-Universität, der Akademie der Wissenschaften, aus dem Ministerium für Wissenschaft und Technik — und vor allem aus dem Ressort des Innenministers. Auch Helmut Schulz muß erst mit einem mittleren Blackout kämpfen, bevor er einräumt, 30 Jahre im Dienst des MfS gestanden zu haben. Zunächst habe er „an und für sich auf der Aufklärungsstrecke gearbeitet“. Danach wechselte er in die „Kaderabteilung“ der Kriminalpolizei — eine Position, die gemäß Befehl des Stasi-Chefs Erich Mielke mit Stasi-Offizieren im besonderen Einsatz besetzt werden mußte. In der Order aus dem Jahre 1986 heißt es: „OibEs sind angehörige des MfS, die [...] auf den Gebieten der Abwehr und der Aufklärung unter Legendierung ihres Dienstverhältnisses mit dem MfS [...] in sicherheitspolitisch bedeutsamen Positionen im Staatsapparat, der Volkswirtschaft oder in anderen Bereichen des gesellschaftichen Lebens (Einsatzobjekte) eingesetzt und wirksam werden.“ Voraussetzung für die Besetzung einer OibE- Planstelle bildeten „bewiesene Treue und Ergebenheit zur Partei der Arbeiterklasse und feste Verbundenheit mit dem MfS“. Mithin handelt es sich bei den OibEs nicht um die tatsächlichen oder selbsternannten katzbuckelnden Mitläufer, derer es bekanntlich so viele gibt.

Ähnlich grotesk wie die jüngere Biographie des Helmut Schulz auch der Werdegang von Dieter Stein: Der ehemalige Stasi-Offizier leitete bis vor kurzem das Büro des Staatlichen Komitees zur Auflösung der Stasi, das Diestel direkt untersteht.

Daß es vermutlich noch weit mehr als 2.000 OibEs gab und daß sie nicht die Langsamsten bei der Postenjagd sein würden, ist seit April sogar öffentlich bekannt. Damals wurden die Namen des Leiters des Ministerbüros von Modrow, Möbius, und des Verwalters der Immobilien des Ministerrates, Erdmann, bekannt, die getarnte OibE-Offiziere der Staatssicherheit gewesen sind. Insbesondere das Bürgerkomitee Erfurt hatte seit Monaten auf das Problem der fehlenden Enttarnungen der OibEs hingewiesen. Nur zufällig entgingen die Unterlagen der Vernichtung der elektronischen Datenträger der Stasi, die auf Beschluß der DDR-Parteien erfolgte. Auch der Volkskammerausschuß tappte lange im dunkeln, stocherte in Akten — und wurde allmählich fündig. Allerdings rollt nun die Welle der eigenen Kündigungen und Entlassungen an. Helmut Schulz dürfte sich auf ein Verhör über die angeblich unvollständigen La-Belle- Akten gefaßt machen. Von Rechts wegen. Petra Bornhöft

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