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Schering-Streiks nach „Fuji-Schock“

■ Am Beispiel der Beschäftigten in der Konzernfiliale in Lima: Die peruanischen Löhne reichen nicht einmal, um das Existenzminimum zu erreichen/ Zweitägiger Ausstand für die nächste Tarifrunde

Lima/Berlin (taz) — Mit hundertprozentiger Beteiligung ist am Mittwoch ein zweitägiger Streik der Schering-Beschäftigten in Lima zu Ende gegangen. Die Polizei der peruanischen Hauptstadt war zwar erschienen, griff aber nicht ein, weil der Ausstand von der Militärregierung doch noch genehmigt worden war. Lima steht wie der größte Teil des Landes unter Ausnahmerecht. Gefordert wird ein Basislohn von 30 Millionen Inti pro Tag; von der Geschäftsleitung liegt ein Angebot über 2,4 Millionen Inti vor.

Die jährliche Tarifrunde für die rund 70 Beschäftigten der Niederlassung des bundesdeutschen Pharmakonzerns hatte am 17.August begonnen, nachdem der „Fujimori- Schock“ die Lebensmittelpreise erneut hatte explodieren lassen. Das am 8.August verkündete wirtschaftliche „Stabilisierungs“-Programm des neuen Staatspräsidenten Fujimori, das unter anderem die Streichung von Lebensmittelsubventionen und eine Erhöhung der Benzinpreise um 3.000 Prozent zur Folge umfaßt, hatte allein an jenem Tag für eine Explosionsrate von 136,5 Prozent geführt. Trotz der in den darauffolgenden Tagen leicht sinkenden Preise haben sich die Kosten für den ohnehin miserabel kalkulierten Familien- Warenkorb dauerhaft mindestens vervierfacht. Ende Juli verdienten die Schering-ArbeiterInnen gerade 354.000 Inti am Tag, umgerechnet etwa 2,30 US-Dollar. Nach Berechnungen des renommierten peruanischen Wirtschaftsforschungsinstituts Cuanto war zur minimalen Ernährung einer Familie mit vier Kindern derweil der doppelte Betrag erforderlich. Die von der Regierung dekretierte einmalige Sonderzahlung in Höhe eines Juli-Monatslohns half auch nur wenig, zumal die Sonderzahlung als Vorschuß in der Tarifrunde zu verrechnen ist.

Bei der Schering Farmaceutica Peruana lag diese partielle Kompensation mit 11 Millionen Inti besonderes niedrig, da sie auf der Basis der schon vorher unzureichenden Lohnes kalkuliert wurde. Auf dringende Bitte der Betriebsgewerkschaft hatte die Geschäftsführung vier Millionen Inti zusätzlich ausgezahlt.

Fast drei Millionen Inti kosten die Grundnahrungsmittel für eine vierköpfige Familie in Lima täglich. Die Schering-Beschäftigten verdienten im August einschließlich der Zusatzzahlungen und einer weiteren staatlich verordeneten Sonderleistung weniger als ein Drittel. Dem Tageslohn von umgerechnet drei Dollar stehen Preise von fast einem Dollar für einen Liter Milch oder ein Kilo Kartoffeln gegenüber. So ist das Arbeitgeberangebot von 2,4 Millionen Inti mit einem Gegenwert von rund sieben Dollar jetzt schon zu wenig, um auch nur die Mägen der Beschäftigten zu füllen. „Das reicht nicht einmal zum essen, Herr Geschäftsführer“, heißt es denn auch in einem Flugblatt der Gewerkschaft, das kurz vor dem Streik erschienen ist, und weiter: „Vom Erwerb von Medizin, Kleidung, Miete, Strom- und Wasserrechnungen oder den Ausgaben für unsere schulpflichtigen Kinder ganz zu schweigen!“

Mit offenen Briefen hat sich indes das pharma-kritische Schering-Aktionsnetzwerk (SchAN) an die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat des Berliner Konzerns gewendet, um sie zur Unterstützung der KollegInnen in Peru aufzufordern.

K.Müller/D.Bartz

Kontakt: Schering-Aktionsnetzwerk c/o Henry Mathews, Grüninger Str. 15, 6301 Pohlheim 1.

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