Ohne Moos kulturlos

■ Generaldebatte über Bremer Kulturpolitik

Bremen ist kulturell auf den Hund gekommen. Das stellten am Donnerstag in der Bürgerschaft alle vier Fraktionen übereinstimmend fest. Pünktlich zum Amtsantritt Henning Scherfs als neuem Kunstsenator legten sie Anträge zur Überwindung der Misere vor und gaben damit den Anpfiff zu einer Generaldebatte über Bremens künftige Kulturpolitik.

Der Stellenwert von Kultur scheint sich gründlich zu ändern, seit durch Unternehmerbefragung schwarz auf weiß nachzulesen ist, daß kulturelles Image einer Stadt und Ansiedlungsinteresse in einem engen Zusammenhang stehen. Folgerichtig ist der CDU-Antrag mit „Kultur als Wirtschafts-und Standortfaktor“ überschrieben, und selbst die Grünen wollen ihre Kulturpolitik als „Teil einer kreativen und innovativen Stadtentwicklungspolitik“ verkaufen. In dieser Kiste haben sogar die freien Gruppen ihren Platz, denn sie erfüllen die Bedürfnisse der „kleinen, pfiffigen und witzigen Unternehmer“ (Scherf).

Aber ein attraktives Image ist nicht zum Nulltarif zu haben. „Mit unterdurchschnittlichen Mitteln überdurchschnittliche Öffentlichkeit erzielen“, wie Scherf die bisherige Bremer Kulturpolitik beschreibt, wird künftig nicht mehr möglich sein, wenn immer mehr kreative Potenz mangels Geld das Handtuch wirft und abwandert. Konsequenzen forderten RednerInnen aller Fraktionen: Die freien Kulturgruppen und —einrichtungen sollen künftig nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip aus Lottomitteln abgespeist werden, sondern reguläre Haushaltsmittel und ein festes Stellenkontingent erhalten. Die Grünen verlangen dafür in ihrem Antrag 10 Millionen Mark. Scherf hatte sich zwar schon im Vorfeld der Bürgerschaftsdebatte generell positiv zu den Wünschen der Freien geäußert, dämpfte in seiner Rede aber zu hohe Erwartungen: An eine „Vollfinanzierung“ von Projekten sei nicht zu denken.

Weitgehende Übereinstimmung herrscht in allen Anträgen über die Vorlage eines Landesmuseumsplanes und bauliche Maßnahmen an den Museen. Die FDP will das Focke-Museum in die Innenstadt verlegen. Die SPD kündigte unter anderem bauliche Verbesserungen des Schlachthofes an. Oberste Priorität haben für die Sozialdemokraten Stadtbibliothek und Volkshochschule. Ein Schwerpunkt des Grünen- Entwurfes ist die Entwicklung dezentraler Kulturzentren in den Stadtteilen. Stärker fördern wollen Liberale und Christdemokraten das private Kultursponsoring.

Alle Anträge wurden einstimmig in die Deputation für Wissenschaft und Kunst verwiesen. Dort sollen sie einfließen in den „Kulturplan 1992 — 1995“.

Scherf versicherte, er werde bereits die Haushaltsberatungen für 1991 nutzen, um „neue Akzente zu setzen“. Nach ersten Gesprächen mit Finanzsenator Grobecker sei die Bremer Kulturpolitik „auf gutem Wege“.

Annemarie Struß-v.Poellnitz