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Wir basteln uns ein Baby

Frankensteins Enkel werden immer perfekter. In San Francisco gelang dem Chirurgen Michael Harrison die Operation eines menschlichen Embryos außerhalb des Mutterleibes. Das Baby litt an einer lebensgefährlichen Krankheit. Die Scheidewand zwischen Bauch und Brust hatte sich nicht geschlossen. Bisher war diese Diagnose gleichbedeutend mit einem Todesurteil, doch Harrison hatte auf diesen Fall nur gewartet. Unzählige Male hatte er diesen Eingriff schon bei schwangeren Schafen und Affen geübt. Er öffnete die Bauchdecke und die Fruchtblase der Mutter sowie die Brust des Fötus, ordnete die Innereien, und verklebte die offene Scheidewand. Die Operation dauerte nur 54 Minuten. Sieben Wochen später kam das Kind gesund zur Welt. Richard Berkowitz vom Mount Sinai Medical Center in New York findet die ganze Sache außergewöhnlich aufregend: „Es bedeutet, daß wir in den Uterus hineinkönnen, dort die Dinge manipulieren und uns wieder hinausmogeln können.“ Seine Freude in Ehren aber die Manipulation am Kind beginnt früher, im Reagenzglas nämlich. Dem englischen Reproduktionsmediziner Alan Handyside ist es gelungen, das Geschlecht von befruchteten Eizellen zu bestimmen. Er bohrte ein Loch in die Eihülle, entnahm ein paar Zellen und durchstöberte die Erbinformation bis er die geschlechtsbestimmenden Chromosomen fand. Durch dieses erfolgreiche Experiment bekommt der Begriff „Wunschkind“ eine völlig neue Dimension. Die biologische Ausstattung des Menschen wird planbar und korrigierbar. Haarfarbe, Ohrenform, Schuhgröße — wir werden demnächst aussuchen können wie in einer Zoohandlung. Gott ist eh schon lange out und die Evolution kriegen wir auch noch in den Griff. Daran arbeiten sogar schon die Jüngsten. Die Kids haben nämlich von Computer-Viren die Schnauze voll. Jetzt programmieren sie sich lebende Vieren. Eine wachsende Zahl von Bio-Hackern sind ganz versessen darauf genetische Codes von Tieren und Pflanzen zu manipulieren. Private Gen-Manipultaion ist bei uns zwar verboten, aber jeder kann sich die Einzelteile beschaffen, die er für einen sogenannten „Bioblaster“ braucht. Das Heimlabor wurde 1983 von der amerikanischen Cornell-Universiät entwickelt. „Das ist alles was du brauchst“, erzählt eine Bio-Hackerin, „du investierst ein paar hundert Mark und schon bist du der liebe Gott!“ Man könne völlig neue Lebewesen basteln, die die Welt noch nie gesehen hat, meint Frankensteins neue Braut. Karl Wegmann

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