: Der Tee ist gesattelt
■ Statisten gesucht: Seeräuberhorden fürs Weihnachtsmusical „Peter Pan“
Da standen sie nun wie bestellt und nicht abgeholt. „Verlorene Jungs“ oder „Seeräuber“ möglicherweise. Zwei Handvoll Herren, zwischen 18 und 35, „stimmlich und tänzerisch begabt“, hatten sich gestern vor der Kassenhalle des Goethetheaters eingefunden, um im Weihnachtsmusical „Peter Pan“ wenigstens eine kleine Rolle zu ergattern.
Die meisten waren eher 18 als 35. Man beschnupperte sich, kam ins Gespräch, prahlte dezent mit ersten Bühnenerfahrungen: „Und wie ich dann in 'Hello Dolly' mit dem Tablett...“. Theater-AG in der Schule, Freie Theatergruppe Delmenhorst, Bühnenaufführungen einer Tanzschule, da hatten sie schon mal Blut geleckt. Und als sie nun lasen, daß das Goethetheater Statisten sucht, wollten sie es doch wenigstens mal versuchen.
Doch die Bühne, genauer die Probenbühne, muß erstmal gefunden werden. Regieassistent Michael Mrukwa führt das Häuflein durch das unterirdische Verließ der Baustelle Goethetheater. Kabel, Bauschutt, Trägerteile: endlich ist der Fahrstuhl zur Probebühne gefunden. Doch da soll das Vorsingen und -tanzen gar nicht stattfinden, teilt ihm ein anderer Theatermensch mit. Leises Fluchen des Regieassistenten, nervöses Lachen der Piratenanwärter. Ab zur Probenbühne des Schauspielhauses. Immerhin: da steht schon ein Klavier und „Joachim von der Kresnik-Truppe, der dann mal ein bißchen Bewegung mit Euch macht“. Aber wo, zum Teufel, ist Sigrid? Da kommt sie endlich, Hektik im Blick: Regisseurin Sigrid Andersson. Sie versammelt die jungen Männer im Sitzkreis auf dem Fußboden und erläutert kurz, aber hart, was auf sie zukommt. In drei Sätzen entwirft sie das Szenario, in dem Kapitän Cook eine Horde von Seeräubern durch das Nimmerland führt. Für diese Horde sucht sie noch Verstärkung. Statist werden kann aber nur, wer erstens singen und tanzen kann und zweitens ab 1. Oktober „rund um die Uhr“ zur Verfüng steht. Wer sich dazu nicht in der Lage sieht, kann besser gleich gehen, schlägt sie freundlich-energisch vor. Nach einigem Hin- und Hergerutsche auf dem nackten Fußboden erhebt sich das Gros der Kandidaten sichtlich enttäuscht: Aus der Traum, neben Job oder Schule ist das nicht drin.
Übrig bleiben drei, unter ihnen der ambitionierte Christian. Um 17 Uhr, wenn die Co-Repetitorin kommt, wird es ernst. So lange bekommen sie ein Textheft in die Hand gedrückt. „Doch, wenn ich mir die so ansehe, von der Physiognomie her könnte das schon stimmen“, nickt die Regisseurin zufrieden. Na dann toi, toi, toi, und vielleicht ein Wiedersehen bei der Premiere! Annemarie Struß-v. Poellnitz
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