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Diestels Nachbarn laufen Sturm

■ In Zeuthen fordern alle Fraktionen, daß Innenminister Diestel sein MdI-Grundstück zurückgibt/ Empörte Dorfbewohner wollen demonstrieren

Zeuthen. Kaum mußte sich DDR- Innenminister Peter-Michael Diestel (CDU) beruflich von Ministerpräsident de Maizière entmachten lassen, kommt nun in der Heimat neuer Ärger auf ihn zu — diesmal privat: In dem 25 Kilometer südlich von Berlin gelegenen Ort Zeuthen fordern Bürger und die Gemeinde, daß der Innenminister ein von seinem eigenen Ministerium billig erworbenes Haus zurückgeben soll. Am kommenden Freitag wollen Nachbarn nun vor Diestels Landhaus demonstrieren.

Obwohl der Minister das Volkseigentum (Rechtsträger: Ministerium des Inneren, kurz: MdI) bereits Ende Juli für lächerliche 195.000 D-Mark sozusagen sich selbst abgekauft hat, ist der Deal noch nicht rechtskräftig und kann möglicherweise rückgängig gemacht werden. Der Kreistag von Königs Wusterhausen hat jedenfalls beschlossen, daß ein Eintrag des neuen Besitzers im Grundbuch verhindert werden muß. Eine Einstweilige Verfügung ist beim zuständigen Gericht beantragt. In Zeuthen lehnen alle Fraktionen — einschließlich der CDU — den Verkauf des Seegrundstücks ab, weil dem Beschlüsse der Gemeinde entgegen stünden, erklärte gestern Bürgermeister Karl-Ludwig Böttcher (SPD).

Aber auch andere Immobilien- Verschiebereien will der Kreistag von Königs Wusterhausen verhindern und versucht, grundsätzlich die Änderung von Grundbucheinträgen bei MdI-Grundstücken zu vereiteln. Nach Böttchers Angaben hat Innenminister Diestel alleine in Zeuthen 23 MdI-Häuser und 20 Häuser der »Versorgungseinrichtung des Ministerrats« an Mitarbeiter verkauft oder will sie noch verkaufen. Diestel beruft sich dabei pikanterweise auf ein Modrow-Gesetz vom März. Der damalige SED-Ministerpräsident verhalf mit dem »Gesetz über den Verkauf volkseigenen Vermögens« bekannten Parteifunktionären zu billigen Grundstücken. In Diestels unmittelbarer Nachbarschaft wohnt auch sein Amtsvorgänger Ahrendt (Bungalow für 110.000 DDR- Mark), der MdI-Funktionär Schmalfuß (Bungalow für 110.000 DDR- Mark) und Hartwig Müller (Familienhaus für 185.000 D-Mark). Müller ist im MdI Leiter der »Versorgungsdienste und Ressourcen« und mit für den Verkauf von Grundstücken zuständig. Zeitungsartikel zu Diestels Deal hat Bürgermeister Böttcher in einem Schaukasten am Bahnhof Zeuthen (S-Bahnlinie Königs Wusterhausen) ausgehängt. Das neueste ist ein Leserbrief des Ministers selbst. Dort äußert er sein »Befremden« darüber, »mit welchem Eifer einige Bürger meinen Hauskauf in der Öffentlichkeit kommentieren«. Er glaube kaum, schreibt Zeuthens neuester Bürger, »daß, handele es sich um den Käufer Müller [Anm. d. Red: gemeint ist nicht Hartwig Müller], Lehmann oder Schulze, solch ein ‘öffentliches‚ Interesse organsisiert werden würde«. Sicher nicht! Denn bei einer telefonischen taz-Umfrage, welche MdI- Grundstücke man als »einfacher Bürger« erwerben könne, lautete die Antwort durchgängig: »Keine.« Dirk Wildt

Demo in Zeuthen am Freitag, 17 Uhr, Bahnhof

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